Treffen von Xi und PutinFest der Autokraten
In Samarkand versammelten sich die mächtigsten Antidemokraten Europas und Asiens. Der Westen sollte nicht den Fehler begehen, hochmütig auf das Treffen herabzublicken.
Samarkand hat in seiner reichen Geschichte Machtmenschen wie Alexander den Grossen, Dschingis Khan oder den Mongolenherrscher Timur geradezu magnetisch angezogen. Selten aber erlebte die usbekische Stadt eine so illustre Dichte von Weltmachtführern, Despoten, Gewaltherrschern und ähnlichen Grossberufenen wie nun auf dem Treffen des Shanghai-Kooperationsrats. Die Ballung dieses Politikertypus an einem abgelegenen Ort ist nicht zufällig. Dennoch wäre der Schluss falsch, dass ein vergleichbares Weltbild oder der Konsens über einen gemeinsamen Rivalen wie etwa die USA ausreicht, um aus den versammelten Autokraten Freunde zu machen.
Die Hauptdarsteller, die Präsidenten Chinas und Russlands, verbindet ein kompliziertes Geflecht aus Interessen und Abneigungen. Xi Jinping und Wladimir Putin eint das Bedürfnis, der Welt und dem heimischen Publikum die eigene Bedeutung im Kreis anderer Staatsmenschen vorzuführen. «Wir sind nicht isoliert», das ist die wichtigste und fast schon einzige Botschaft. Danach wird es kompliziert.
Spiel mit der Uneindeutigkeit
Der Staats- und Parteichef aus China setzt vor allem fort, was er seit dem letzten Treffen kurz vor der Ukraine-Invasion praktiziert hat: das Spiel mit der Uneindeutigkeit. Zwar schüttelt er Putins Hand und lässt einen hochrangigen Vertreter vor wenigen Tagen in Moskau Verständnis dafür äussern, dass Russland in der Ukraine «zum Schutz seiner nationalen Kerninteressen zurückgeschlagen» habe. Gleichzeitig aber versichert er Kasachstan Chinas Hilfe bei der Verteidigung seiner Unabhängigkeit – die Russland zu Beginn des Jahres mithilfe einer «Friedenstruppe» gern ein bisschen unter eigene Kontrolle gebracht hätte. Aus Tadschikistan will Xi mehr Agrarprodukte einführen, aus Turkmenistan mehr Gas. Kirgisistan bindet er mit einem Eisenbahnprojekt. Damit ergeht an Russland die eigentliche Botschaft: Zentralasien ist der Hinterhof Pekings, nicht Moskaus.
Xi versucht sich also in der Kunst, Putin zu binden, ohne selbst von ihm gefesselt zu sein. Putin hingegen reicht es vollkommen, die Isolation durch den Westen für die Abendnachrichten zu konterkarieren. Aber er wird von Xi nicht den ersehnten Rettungsring erhalten – eine offensive Militärhilfe oder gar die ideologische Gefolgschaft. Über die Fixierung auf den Globalgegner USA lässt Xi andere reden. Und er weiss, dass sowohl die Europäer als auch die USA haarfein beobachten, welche Warenströme die chinesische Grenze gen Osten verlassen.
Gleichwohl sollte der Westen nicht hochmütig auf das Autokraten-Fest im Schatten der Paläste Timurs schauen. Die Versammlung zeigt, wie stark und selbstbewusst das Anti-Demokraten-Lager ist. Hier werden Interessen kühl abgewogen und Geschäfte auf der Basis wechselseitiger Abhängigkeit verabredet. Dass der Nato-Partner Türkei als Beobachter geladen ist, dass dessen Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Spiel mit Wladimir Putin gerade beim Export ukrainischen Weizens durch gefährliche Kurven trägt – all das zeugt von der Unberechenbarkeit, die Autokraten-Freundschaften zugrunde liegt.
Tatsächlich gelten auch heute in Samarkand dieselben Regeln, die vor 800 Jahren im religiösen Zentrum des islamischen Ostens unter den Timuriden-Herrschern über Leben und Tod entschieden: Misstraue jedem, Freundschaft gibt es so lange, wie sie dem Machterhalt dient.
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