Wahlen in SpanienKonservative sehen sich vorne, Sozialisten ebenfalls
Der Rechtsruck ist wohl abgewendet, doch der Sozialist Sánchez und der Konservative Feijóo sehen sich beide als Wahlsieger. Nun droht die Unregierbarkeit.
Viel war zuletzt die Rede von der Gefahr eines Rechtsrucks in Spanien. Und Alberto Núñez Feijóo, aussichtsreicher Spitzenkandidat des konservativen Partido Popular (PP), hatte vor der Wahl an diesem Sonntag keinen Zweifel daran gelassen, dass er diesen Rechtsruck mitgetragen hätte. Feijóo hätte mit der rechtsextremen Vox regiert, wenn es für eine absolute Mehrheit für PP und Vox im Parlament gereicht hätte.
Nun, die Wählerschaft hatte offenkundig anderes im Sinn. Denn anders als fast alle Umfrageinstitute vorhergesagt hatten, reicht es nicht für eine Regierung aus PP und Vox. Die Konservativen wurden mit 136 Sitzen und 33 Prozent zwar stärkste Kraft im Parlament, doch Vox schnitt schwächer ab als erwartet und fiel von 52 Sitzen auf künftig nur noch 33. Das entspricht einem Stimmenanteil von 12 Prozent. Für eine absolute Mehrheit sind im Abgeordnetenhaus in Madrid 176 Sitze nötig. PP und Vox kämen zusammen auf 169.
Als Alberto Núñez Feijóo in der Nacht auf Montag vor die Medien und Anhänger seiner Partei trat, schien er sich vom ersten Schrecken über das für ihn enttäuschende Ergebnis bereits wieder erholt zu haben. Er war sich seines Sieges so sicher gewesen, dass ihn zuvor bereits die PP-Generalsekretärin Cuca Gamarra verfrüht zum künftigen Ministerpräsidenten erklärt hatte. Da waren die Wahllokale gerade erst geschlossen worden. Später dann sprach Feijóo zwar ebenfalls davon, dass er als Kandidat mit den meisten Stimmen nun versuchen werde, eine Regierung zu bilden. Allerdings dürfte dieses Vorhaben wenig aussichtsreich sein.
Pedro Sánchez, bislang Ministerpräsident, klang nämlich nicht so, als würde er Feijóos Wunsch akzeptieren. Im Gegenteil: Sánchez sprach, als er vor seine Anhängerschaft trat, davon, aus dem Wahlergebnis einen Auftrag zur Regierungsbildung abzuleiten. Sein politisches Projekt werde fortgeführt, die Wählenden hätten klar entschieden, dass sie das wollten, sagte Sánchez, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Begoña Gomez auftrat.
Aber was haben die Wählerinnen und Wähler in Spanien bei der vorgezogenen Neuwahl wirklich entschieden? Fest steht: Der grosse Verlierer dieser Wahl heisst Vox. Die Rechtsextremen haben am meisten Sitze von allen Parteien verloren. Anders als angenommen und von ihnen im Vorfeld gefordert, steht für sie eine Regierungsbeteiligung wohl nicht mehr im Raum. Aber auch Sumar, das linke Parteienbündnis der bisherigen Arbeitsministerin Yolanda Díaz, schnitt etwas schwächer ab als bei der letzten Parlamentswahl.
Zwei Szenarien sind denkbar – oder die Wiederholung der Wahl
Spanienweit hat die Wählerschaft die Parteien der Mitte gestärkt: Sánchez’ PSOE hat zwei Parlamentssitze hinzugewonnen und kommt auf 122 Mandate. Die Konservativen haben sich sogar um 47 Sitze verbessert und profitierten unter anderem davon, dass die liberale Formation Ciudadanos nicht mehr zur Wahl angetreten war. Feijóo dürfte mit seinem aggressiven Wahlkampf auch Vox erfolgreich Stimmen abgejagt haben.
Dafür, wie es nun in Spanien weitergeht, gibt es im Wesentlichen zwei Szenarien, die – neben einer Wiederholung der Wahl – denkbar wären: Die Sozialisten könnten sich dafür entscheiden, eine Minderheitsregierung Feijóos zu unterstützen. Obwohl dies zu Zeiten Mariano Rajoys schon einmal passiert ist, erscheint es in der momentanen Situation höchst unwahrscheinlich, zumindest solange Pedro Sánchez PSOE-Chef ist. Er dürfte für eine grosse Koalition oder ähnliche gemeinsame Projekte mit jener Partei, die ihn im Wahlkampf zum Erzfeind erklärt hatte, nicht zu haben sein.
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Das zweite Szenario ist eine Neuauflage der bisherigen Regierung, wobei Sánchez die katalanische Junts-Partei von Carles Puigdemont mit ins Boot holen müsste, um so die Verluste seiner Partner auszugleichen. Von Junts hiess es aber, dass man Sánchez nicht ohne Gegenleistung zum Ministerpräsidenten machen werde.
Schwierig und langwierig dürfte die Regierungsbildung nach dieser Wahl also allemal werden. Der Rechtsruck ist abgewendet, doch es bleiben das Szenario der Unregierbarkeit und die Möglichkeit von Neuwahlen.
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