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Matthias Jauslin wechselt zur GLP
Der letzte umweltpolitische Abweichler verlässt die FDP

Teilnehmer der Wintersession im Bundeshaus 2024, im Vordergrund ein Mann im Anzug mit Brille.
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In Kürze:
  • Nationalrat Matthias Jauslin tritt von der FDP zu den Grünliberalen über.
  • Er kritisiert die FDP für fehlende Umweltprioritäten wie CO₂-Reduktion.
  • FDP-Präsident Thierry Burkart kritisiert den Zeitpunkt des Übertritts.
  • Jauslin betont, seinen liberalen Werten treu geblieben zu sein.

Fast 30 Jahre politisierte Matthias Jauslin für die FDP. Der Unternehmer aus dem aargauischen Wohlen sass in der Legislative und der Exekutive der Gemeinde, später im aargauischen Grossen Rat. Er war vier Jahre Präsident der FDP Aargau, und seit 2015 vertrat er die Partei im Nationalrat. Nun hat er genug. Der 62-Jährige verlässt die FDP per sofort und tritt den Grünliberalen bei.

Seinen Wechsel begründet er mit dem Kurs der FDP in Umweltfragen. Raumplanung oder Klimapolitik hätten inzwischen keine Priorität mehr, sagt er. Der Erhalt der Biodiversität oder die Reduktion des CO₂-Ausstosses seien für ihn keine Fragen, die sich in ein Links-rechts-Schema einordnen liessen. «Dass unser CO₂-Ausstoss zu gross ist, sollte längst allen klar sein, egal wo sie sich politisch verorten», sagt Jauslin.

Er bleibe seinen liberalen Überzeugungen treu. Diese Gesinnung beinhalte den Einsatz für eine freiheitliche Ordnung, aber auch für Gemeinsinn. Der Entscheid zum Parteiwechsel sei über eine lange Zeitspanne gereift und über die Festtage gefallen, sagt Jauslin.

Burkart sieht keinen umweltpolitischen Kurswechsel

FDP-Präsident Thierry Burkart nimmt den Parteiwechsel «zur Kenntnis». Angesichts der Tatsache, dass Jauslin oft anders gestimmt habe als die Fraktion, komme der Wechsel nicht völlig überraschend. «Allerdings hätte ich es selbstverständlich begrüsst, wenn Matthias Jauslin den Wechsel vor den eidgenössischen Wahlen vollzogen hätte», sagt Burkart.

Zum Vorwurf des umweltpolitischen Kurswechsels sagt Burkart: «Wir unterstützten sowohl das Klimaschutzgesetz als auch das Stromgesetz. Aber wir wehren uns gegen immer mehr Subventionen, die dem Klima nichts bringen.» Dass auf jenen von Jauslin weitere Parteiaustritte folgen, befürchtet der FDP-Präsident nicht.

Thierry Burkart, Präsident der FDP, im Interview in der Galerie des Alpes im Bundeshaus.

Es stimme, dass er im Parlament regelmässig anders als die Fraktionsmehrheit gestimmt habe, sagt Jauslin. «Ich will abends noch in den Spiegel schauen können.» Dass er den Parteiwechsel vor den Wahlen hätte vollziehen sollen, sieht Jauslin nicht. Er sei im Aargau von jenen gewählt worden, die gleiche umweltpolitische Prioritäten setzten wie er, also von Anhängern des progressiven, gesellschaftsliberalen FDP-Flügels.

Auf die neue Legislatur, die im Dezember 2023 begann, wurde Jauslin vom FDP-Fraktionsvorstand gegen seinen Willen von der Umwelt- in die Verkehrskommission versetzt. Diese Umteilung sei erst nach den Wahlen erfolgt, sagt Jauslin. Dass die FDP mit Christian Wasserfallen einen Vertreter in die Umweltkommission delegiert habe, der eine komplett andere Energiepolitik betreibe, belege den Kurswechsel. Früher hätte die FDP auch das Verbandsbeschwerderecht nicht grundsätzlich infrage gestellt, sagt Jauslin. Und die Forderung nach einem sofortigen Ausbau der Atomkraft stimme nicht mit früheren Parteibeschlüssen überein.

Jürg Grossen: «Jauslin ist ein progressiver Unternehmer»

In der Umwelt- und Energiepolitik war Jauslin der letzte FDP-Parlamentarier, der regelmässig von der Fraktionslinie abwich. Dissonanzen gab es aber auch in der Europapolitik. Jauslin stört sich daran, dass die FDP nicht klar hinter den mit der EU ausgehandelten Bilateralen III steht. «Eine Wirtschaftspartei müsste alles daransetzen, dass die Beziehungen der Schweiz zum eindeutig wichtigsten Handelspartner geregelt sind.»

Die Europapolitik könnte in der FDP zu mehr Diskussionen führen als der mittlerweile unbestrittene umweltpolitische Kurs. Generell sind Abweichler in der FDP aber seltener geworden. Einer, der in der Europapolitik und in Grundrechtsfragen immer wieder von der Linie abwich, war der Solothurner Kurt Fluri. Dieser trat Ende 2023 zurück.

Bei der GLP herrscht grosse Freude. «Wir teilen dieselben Haltungen und Werte», sagt Fraktionspräsidentin Corina Gredig. Parteipräsident Jürg Grossen bezeichnet Jauslin als «progressiven Unternehmer». Als langjähriger Energie- und Verkehrspolitiker passe er gut zur GLP. «Wir freuen uns, dass ein liberaler Geist und verantwortungsvoller Politiker wie er in der GLP seine neue Heimat findet.»

Letztmals erhielt die GLP 2019 einen prominenten Zuzug. Damals wechselte die frühere SP-Nationalrätin Chantal Galladé die Partei. Ihren Wechsel nach 30 Jahren SP-Mitgliedschaft begründete sie mit der Ablehnung des Rahmenvertrags mit der EU durch die SP. Allerdings hatte auch die GLP schon Austritte zu verkraften. Im Februar 2023, wenige Tage nachdem Isabel Garcia als Zürcher GLP-Kantonsrätin wiedergewählt worden war, gab sie den Übertritt zur FDP bekannt. Dieser Wechsel hatte sogar ein juristisches Nachspiel und landete vor Bundesgericht.

Politologe Georg Lutz wertet den Parteiübertritt von Jauslin als Einzelfall, der für FDP-Präsident Burkart zwar ärgerlich, aber für die FDP kein Drama sei. Parteiübertritte seien in der Schweiz eher selten. Eine Absetzbewegung erwartet Lutz nach Jauslins Austritt aus der FDP nicht.

Nach Ansicht des Politologen Lukas Golder hat der Wechsel Jauslins für die kleinere GLP eine grössere Bedeutung als für die Freisinnigen. Die GLP könne mit dem Zuzug eines bürgerlichen Politikers ihr liberales Profil stärken und das Image einer Partei mit einem gewissen Linksdrall korrigieren, sagt der Co-Leiter von GFS Bern.