Vorwürfe der Vergewaltigung«Wir kennen die Vorgeschichte»: Das sagt FCZ-Präsident Canepa zum Zuzug von Benjamin Mendy
Der FC Zürich verpflichtet einen Weltmeister. Bei Manchester City war der Franzose suspendiert, mehrere Monate in Untersuchungshaft, wurde dann aber freigesprochen.
![Der französische Fussballspieler Benjamin Mendy verlässt das Chester Crown Court in Nordwestengland am 14. Juli 2023, nachdem er von einer Anklage wegen Vergewaltigung und einer wegen versuchter Vergewaltigung freigesprochen wurde.](https://cdn.unitycms.io/images/1aN4Z3l4KRM8QQalZDBiqu.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=ZHKzX2Rajzg)
- Bei Lorient wird Mendy aussortiert, von den Fans sogar einmal ausgebuht.
- FCZ-Präsident Ancillo Canepa verrät, weshalb der FCZ den Franzosen geholt hat.
- Der 30-Jährige ist nicht der erste Weltmeister, der in der Super League spielt.
Da ist er also. Der nächste Weltmeister in der Super League. Zwölfeinhalb Jahre nach Sions Verpflichtung des Italieners Gennaro Gattuso holt der FCZ den Franzosen Benjamin Mendy. Vierfacher englischer Meister und einfacher Cupsieger mit Manchester City. 60 Millionen Ablöse zahlen die Engländer 2017 an Monaco. Es sind die Zahlen eines Superstars. Aber für den FCZ ist es auch eine Verpflichtung mit Risiken.
In Lorient, seiner letzten Station, absolviert er in der vergangenen Saison 708 Spielminuten – von insgesamt möglichen 3060. In 15 von 34 Spielen steht er auf dem Feld, sonst fehlt er wegen Verletzungen. Von der Zeitung «L’Équipe» wird er als Fehlkauf betitelt, von den Fans für den Abstieg mitverantwortlich gemacht. Die Buhrufe nach seiner letzten Auswechslung sind quasi der tragische Schlusspunkt. Im Mai 2024 bestreitet Mendy sein letztes Pflichtspiel. Später wird er von Trainer Olivier Pantaloni aussortiert. Das Ende seiner fünften Station als Profi ist eingeläutet.
Mendy wächst in den Pariser Banlieues als jüngstes von fünf Geschwistern auf. Als 13-Jähriger kommt er an die Fussballakademie von Le Havre. Von da geht es bis ganz nach oben in die erste Mannschaft, weiter zu Marseille, Monaco und später zu Manchester City. Nach dem steilen Aufstieg folgt der tiefe Fall.
Im August 2021 wird der Franzose festgenommen. Manchester City suspendiert seinen Spieler, der bis Januar 2022 in Untersuchungshaft sitzt. Dreizehn Anklagen wegen Sexualdelikten wie Vergewaltigung sind es bis zum Schluss. «Die sexuelle Eroberung junger Frauen sei zu einem Spiel geworden», wird das Gericht unter anderem zitiert. Mendy wird aber in allen Anklagen freigesprochen.
Viele Spieler, darunter auch internationale Grössen wie Memphis Depay oder Paul Pogba, solidarisieren sich mit dem Franzosen. Ersterer veröffentlicht einen Tweet mit den Fragen: «Und was machen wir jetzt? Wer hilft diesem Bruder bei der Heilung?» Zahlreiche Profis versehen den Post mit einem Like. Mendy verklagt Manchester City später, im Oktober 2024 muss der Verein ihm ein Gehalt in Millionenhöhe nachzahlen. Nach akuter Geldnot eine Erlösung für den Franzosen.
«Wir kennen die Vorgeschichte»
Es sind Jahre voller Justiz und mit wenigen Pflichtspielen für den neuen Verteidiger des FC Zürich, der gemäss «L’Équipe» auch schon nahe dran war, nach Saudiarabien oder Katar zu wechseln. Viele Jahre, in denen es nicht um Fussball geht. Jahre, die bis heute nachhallen. Jahre, ohne die Benjamin Mendy niemals den Weg zum FC Zürich gefunden hätte.
Damit es einen Spieler dieses Kalibers in die Super League verschlägt, muss zuvor einiges kaputtgegangen sein. Weshalb tätigt der FCZ dennoch einen solch potenziell riskanten Transfer? Warum ist es es ihm wert, ein mögliches Problem ins Haus zu holen? Die Antwort für Präsident Ancillo Canepa ist klar: «Wir kennen die Vorgeschichte. Im vorliegenden Fall wurde Mendy aber freigesprochen. Es gab und gibt für uns keinen Anlass, an der Korrektheit der juristischen Aufarbeitung zu zweifeln. Bekannte Fussballer sind oft begehrte Objekte, um sie auch ohne ein Fehlverhalten einzuklagen.»
Der letzte so grosse internationale Spieler, der sich in der Schweiz versucht, scheitert kläglich: Mario Balotelli kommt 2022 zum FC Sion, ein Jahr später sagt Präsident Christian Constantin dieser Redaktion: «Er hat ein Problem: seine Mentalität.» Statt Tore bringt der Italiener weitere Unruhe. Das Abenteuer Wallis ist nach einer Saison und dem Abstieg für Balotelli zu Ende.
Unruhe gab es beim FC Zürich in dieser Saison auch schon vor Mendy. Schirmwurf, Spielerverhaftung, Streik – die verblüffenden Momente kommen beim Stadtclub in diesen Zeiten oft und unerwartet.
Dazu befinden sich die Zürcher weiterhin im Formtief, rutschen in diesem Jahr ein erstes Mal in der gesamten Saison in die untere Tabellenhälfte, und die Träume von Europa rücken weiter in die Ferne. Gestandene Spieler wie Antonio Marchesano (295 Spiele für den FCZ) verlassen diesen Winter den Verein, der Sportchef Milos Malenovic rechnet mit der Berichterstattung ab oder verpflichtet mit Steven Zuber einen bei der Südkurve mässig beliebten Spieler. Malenovic geht es aber nicht um Nostalgie, er bevorzugt Leistung und Daten.
Und Präsident Canepa steht auch beim Mendy-Transfer komplett hinter ihm: «Im Rahmen der rollenden Kaderplanung haben wir einen erfahrenen Innenverteidiger, Linksfuss, gesucht. Aufgrund unserer Scoutings sind wir auf Mendy gestossen. Für uns ist wichtig, dass ein Neuzugang unser Zukunftsprojekt versteht und mit uneingeschränkter Überzeugung zum FCZ wechselt.»
Beispiele für erfolgreiche Grössen aus dem Ausland wie Karl-Heinz Rummenigge (Servette/1987–1989), Uli Stielike (Xamax/1985–1988), Günter Netzer (GC/1976–1977) und Néstor Clausen (Sion/1989–1994) oder Gaël Clichy (Servette/2021–2023) gibt es natürlich auch noch im Schweizer Fussball. Meist, wenn die Spieler berühmt und hierzulande erfolgreich sind, gehören sie dem letzten Jahrhundert an oder kommen mit viel Spielpraxis.
Mendy hingegen sei noch nicht ganz bei hundert Prozent, sagt Canepa. Daher wird der Franzose am kommenden Samstag gegen Sion noch nicht Teil des Kaders sein.
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