Besondere Fastenmethode36 Stunden hungern – wie gesund ist Rishi Sunaks Intervallfasten?
Eineinhalb Tage fasten, den Rest der Woche ungehemmt naschen: Expertinnen und Experten beurteilen das Diätritual des britischen Premierministers kritisch.
Hätte ein Mönch dasselbe preisgegeben, niemand wäre wohl überrascht gewesen. Aber ein Staatsmann? Ein Hochleistungspolitiker, erst 43 Jahre alt?
Aber Rishi Sunak, britischer Premierminister, tut es tatsächlich, und zwar jede Woche wieder. Er fastet, 36 Stunden lang; von Sonntagabend bis Dienstagmorgen verbietet sich Sunak jegliche Nahrung, er trinkt nur Wasser, Tee oder schwarzen Kaffee.
Die «Sunday Times» erfuhr als Erste von Sunaks Fastenritual, und der wollte für einmal Indiskretionen aus seinem engsten Kreis nicht dementieren. Freimütig sprach Sunak einige Tage später der BBC ins Mikrofon: «Fasten ist für mich Teil eines gesunden Lebensstils» – und schob beflissen nach, das temporäre Hungern behindere ihn in keinerlei Hinsicht beim Führen der Regierungsgeschäfte.
«Eine extremere Form»
Kaum war die Diätroutine des britischen Premierministers geleakt worden, meldete sich die British Dietetic Association zu Wort. «Intervallfasten kann Menschen tatsächlich beim Abnehmen helfen», sagte Sprecherin Clare Thornton-Wood gegenüber der BBC, «das Fasten muss aber mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung einhergehen.» Eigentlich will Sunak dieser Tage die Öffentlichkeit für eine Verschärfung des Tabakgesetzes gewinnen, aber jetzt spricht das Königreich gemäss «Telegraph» nur darüber, «ob die Fastenroutine des Premierministers wirklich gesund ist».
Ist sie das? Bei der 36-Stunden-Methode handelt es sich «sicherlich um eine extremere Form des Intervallfastens», sagt Niculin Vonzun, Leiter Ernährungstherapie am Kantonsspital Graubünden, auf Anfrage. Dieser Rhythmus eigne sich gut für Menschen, die bereits positive Erfahrungen mit gemässigteren Methoden des Intervallfastens gemacht hätten, etwa dem 16:8-Stunden-Rhythmus oder «Dinner Canceling».
Das 36-Stunden-Intervallfasten ist im Grunde eine Variante der beliebten 5:2-Diät (an 5 Tagen normal essen, an 2 Tagen bloss 500 bis 600 Kilokalorien); diese geht auf die britischen Ernährungsexperten Michelle Harvie und Tony Howell zurück. Die 5:2-Methode machte Intervallfasten (auch intermittierendes Fasten genannt) erst richtig populär, es verspricht nicht nur Abnehmen ohne Jo-Jo-Effekt, sondern soll auch – so wird in einer Flut von Ratgebern immer wieder behauptet – vor Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen oder Alzheimer schützen.
«Verlängerung der Lebenszeit nicht belegt»
Gesund soll Intervallfasten auch deshalb sein, so die Populärargumentation, weil der menschliche Stoffwechsel immer schon auf Fastenphasen eingestellt gewesen sei, seit der Steinzeit. Herrschte in der grauen Vorzeit Überfluss, dann assen unsere Vorfahren ungehemmt, in Zeiten des Mangels blieb der Magen dafür einige Stunden oder gar Tage leer.
Obwohl Intervallfasten als «wichtigster neuer Trend der Ernährungsmedizin» («Welt») gehandelt wird, ist der wissenschaftliche Erkenntnisstand überraschend dürftig. In Studien verlässlich nachgewiesen ist eigentlich nur: Menschen, die abnehmen wollen, erzielen mit Intervallfasten mindestens dieselben, zuweilen bessere Ergebnisse als mit herkömmlichen Diäten.
Dass Intervallfasten aber neben dem Gewichtsverlust längerfristig weitere positive Folgen für die Gesundheit zeitigt, dafür gibt es bis heute kaum wissenschaftliche Evidenz. Die Zürcher Ernährungsberaterin Natalie Bez sagt: «Eine Reduktion des Risikos von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Verlängerung der Lebenszeit sind nicht belegt.»
Die gute Botschaft allerdings ist: Schon ein kleiner Diäterfolg, egal mit welcher Methode, ist ein grosser Gewinn für die Gesundheit.
Leichter als jeden Tag Kalorien zählen
So beruht der Erfolg des Intervallfastens hauptsächlich darauf, dass es vielen Menschen leichter fällt, an zwei Tagen in der Woche sehr diszipliniert zu sein, statt Tag für Tag Kalorien zu zählen und sich einzuschränken. Bestes Beispiel dafür ist Fasten-Premier Sunak, im Interview mit der BBC gestand er: «Nach der Hungerphase gönne ich mir den Rest der Woche all die Süssigkeiten, die ich so sehr mag.» Sunak hat sich in der Vergangenheit sogar als «Coca-Cola-Süchtiger» geoutet, der die mexikanische Cola bevorzuge, weil diese aus «Rohrzucker mit hohem Fruchtzuckergehalt» hergestellt werde.
Hungern, um dann zu sündigen: Das mag Sunak allenfalls sympathisch machen – die Strategie ist jedoch problematisch. Simone Reber, Ernährungsberaterin SVDE und Vizepräsidentin der Swiss Sports Nutrition Society, sagt: «Für manche Menschen kann Intervallfasten zu einer ungesunden Beziehung zum Essen und einer unausgewogenen Ernährung führen.» Vom Fasten zum Naschen: Als Vorbild taugt der britische Premier nur bedingt.
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