Tipps zum Fall «Travis»Brenzlige Situation im Ausgang? So kommen junge Frauen und Männer heil wieder raus
Im Club, an der Privatparty oder schon im Bett: Ein Präventionsexperte sagt, wie man sich und andere aus unangenehmen Situationen rettet.
![Eine Frau in einem Club hebt die Hand, während im Hintergrund eine Menschenmenge tanzt. Farbenfrohe Lichteffekte erhellen die Szene.](https://cdn.unitycms.io/images/7rWUi7rNqbnBGKpL-doXpL.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=VyLz1jGz5JI)
- Zahlreiche Frauen erheben Vorwürfe gegen den Influencer «Travis the Creator».
- Die Vorwürfe reichen von Vergewaltigung bis zu unangemessenen Annäherungen.
- Die Präventionskampagne «Gut ausgegangen?» betont, dass Täter allein verantwortlich sind.
- Der Leiter der Kriminalprävention gibt Tipps zu acht konkreten Situationen.
Der Zürcher Influencer «Travis the Creator» soll Frauen systematisch zum Sex gedrängt haben. Insgesamt 34 Frauen äusserten Vorwürfe gegen ihn auf einem Instagram-Account. Sie sagen, er habe sie vergewaltigt, sexuell belästigt, anzüglich angefasst, ihnen Sexvideos geschickt oder sie in ein Hotelzimmer eingeladen. Sieben Frauen haben ihn angezeigt, in sechs Fällen wird Travis derzeit angeklagt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Auffallend häufig beschrieben die Frauen, wie sie überrumpelt und zum Sex gedrängt wurden. Dass sie sich plötzlich in Situationen wiederfanden, in denen sie sich nicht mehr trauten, Nein zu sagen.
Fabian Ilg kennt diese Situationen gut. Er ist Leiter der Schweizer Kriminalprävention und verantwortlich für die Kampagne «Gut ausgegangen? - Sicherheitstipps für dein Nachtleben». Die Kampagne richtet sich sowohl an potenzielle Opfer wie auch an potenzielle Täter und Zeugen.
![Mann mit Brille und weissen Haaren in einem schwarzen Anzug vor grauem Hintergrund.](https://cdn.unitycms.io/images/FavSpIqVKrm9Y-UL5-8FPH.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=rEAG6m3MYns)
Denn wie in jedem Fall gilt auch hier: Für eine strafbare Handlung ist immer allein der Täter oder die Täterin verantwortlich. Das Opfer hat keine Schuld.
Trotzdem ist es so, dass junge und unerfahrene Menschen sich schnell in gefährlichen Situationen wiederfinden können, ohne genau zu wissen, wie sie dort hineingeraten sind. Was also tun, wenn man das Gefühl hat, es sei schon zu spät?
Ich bin im Club unterwegs und tanze. Ein Mann tanzt mich an, zieht mich zu sich, fasst mich anzüglich an. Ich weiss nicht, wie ich das finden soll.
Fabian Ilg: «Ob das zu weit geht, ist grundsätzlich von der Person abhängig. Manche empfinden es als Flirt, andere nicht. Die Faustregel ist: Wenn Sie sich unwohl fühlen, gehen Sie sofort raus aus der Situation. Sie dürfen einfach weglaufen. Klare Grenzen setzen. Wenn das nichts nützt, dann ziehen Sie das Personal des Clubs hinzu und sagen Sie den Türstehern Bescheid. Diese sollten dann entsprechende Massnahmen ergreifen.»
Ich hatte eine gute Zeit mit einem Mann. Wir sind zusammen im Bett gelandet, ich wollte das. Plötzlich nimmt er sein Telefon hervor und fängt an, den Sex zu filmen.
«Wer ohne Einwilligung des Partners eine sexuelle Handlung aufzeichnet, macht sich strafbar. Sie können die Person auffordern, das Video zu löschen. Achten Sie dabei darauf, dass es doppelt gelöscht wird: aus der Galerie und auch aus dem Papierkorb. Wenn die Person sich weigert, haben Sie das Recht, die Person bei der Polizei anzuzeigen. Damit können Sie im Notfall auch drohen.»
Ich bin betrunken in einem Club. Alles dreht sich. Ich kann mich nicht mehr halten, nicht mehr für mich selbst schauen.
«Das Wichtigste ist, dass Sie eine Person finden, die auf Sie schaut. In einem Freundeskreis gibt man hoffentlich aufeinander acht. Falls Sie allein sind, können Sie auch dem Barpersonal Bescheid geben, dass es Ihnen nicht mehr gut geht. Wenn Sie beobachten, dass Ihre Freundin nicht mehr ansprechbar ist, vergewissern Sie sich, dass diese die Situation (egal welche) wirklich möchte. Im Zweifelsfall schlagen Sie der Freundin vor, rauszugehen und frische Luft zu schnappen. Wenn eindeutig schon zu viel Alkohol konsumiert wurde und die Situation unübersichtlich wird, gehen Sie lieber zusammen nach Hause.»
Ich bin allein unterwegs und komme nicht mehr nach Hause.
«Versuchen Sie, jemanden anzurufen und Ihre Lage zu schildern. Vielleicht kann die Person Ihnen helfen, vielleicht holt sie Sie sogar ab. Und sonst rufen Sie ein Taxi und fahren Sie nach Hause. Das Geld ist immer ein Thema, das ist klar. Aber wenn es um die eigene Sicherheit geht, ist das Geld zweitrangig.»
Ich bekomme eine Einladung einer mir bekannten Person. Ich bewundere den Erfolg dieser Person. Sie lädt mich zu einem Fotoshooting oder sonst einem exklusiven Event ein.
«Wenn die Einladung online erfolgt, sollten Sie grundsätzlich vorsichtig sein. Reden Sie mit einer Freundin, einem Freund über diese Einladung. Was denken die darüber? Als junge Person sollten Sie hinterfragen, wenn Ihnen aus dem Nichts ein Angebot gemacht wird, das zu gut klingt, um wahr zu sein. Wenn Sie sich entscheiden, zu gehen, ist es wichtig, dass Sie eine Freundin oder einen Freund an das erste Treffen mitnehmen. Achten Sie darauf, dass das Treffen in einem öffentlichen Raum stattfindet. Die erste Verabredung sollte nie in einem Hotelzimmer oder in einer privaten Wohnung sein. Wenn Sie ein ungutes Gefühl haben, brechen Sie lieber ab und verlassen Sie die Situation.»
Ich bin allein zum Treffen gegangen. Jetzt bin ich in einer Situation gelandet, in der ich mich unwohl fühle. Ich traue mich nicht, wegzugehen, weil ich Angst habe, die andere Person zu brüskieren.
«Sprechen Sie der Person gegenüber an, was Ihnen Unwohlsein bereitet. Wenn Sie an einem Fotoshooting sind und angefasst werden, fragen Sie die Person, ob das dazugehört. Fragen Sie nach den Erwartungen bei diesem Treffen. Wenn Sie nicht allein sind, suchen Sie nach Hilfe bei Personen, denen Sie vertrauen. Fragen Sie diese nach einer Einschätzung. Und wenn Sie dann sicher sind, dass Sie etwas nicht wollen, kommunizieren Sie Ihr Nein klar und deutlich. Nicht nur verbal, sondern auch physisch. Schaffen Sie Abstand zwischen sich selbst und dem, was Ihnen Unwohlsein bereitet. Lieber etwas nicht tun, als nachher bereuen, dass man es gemacht hat.»
Ich konnte nicht Nein sagen. Jetzt ist etwas passiert, von dem ich nicht weiss, ob ich das überhaupt wollte. Ich fühle mich schlecht.
«Auch wenn Sie sich während eines sexuellen Kontakts nicht gewehrt haben, ist es nicht zu spät, zu sagen, dass Sie das eigentlich nicht wollten. Wichtig ist, dass Sie so schnell wie möglich eine Vertrauensperson beiziehen und dieser erzählen, was passiert ist. Das kann unter Umständen juristisch wichtig sein. Und dann ist da die Frage, ob Sie eine psychologische Betreuung möchten. Jeder Kanton hat eine Opferhilfestelle, die fachliche Unterstützung vermitteln kann. Rechtlich, medizinisch, psychologisch. Auch bei der Frage, ob Sie eine Anzeige machen sollen, kann die Fachstelle weiterhelfen.»
Meine Gedanken drehen sich. Ich bin selbst schuld. Mir passieren immer solche Dinge. Ich erzähle das lieber niemandem.
«Schuldgefühle sind normal. Bitte versuchen Sie nicht, allein mit der Situation fertig zu werden. Es fühlt sich gut an, eine belastende Erfahrung mit einer anderen Person zu teilen. Deswegen ist es wichtig, sich so schnell wie möglich jemandem anzuvertrauen, sonst fressen diese Gefühle Sie auf. Professionelle Hilfe kann Ihnen zeigen, wie Sie mit diesen Gefühlen umgehen können und wie Sie solche Situationen in Zukunft vermeiden. Und Sie sehen auch, dass Sie mit diesen Erfahrungen nicht allein sind.»
«Don’t be shy»: Unser Dokfilm zeigt, wie ein Zürcher Party-Influencer Frauen sexuell ausnutzt
Betroffene schildern ein Missbrauchssystem an Schweizer Modeshootings und Partys. Jahrelang wähnt sich «Travis» unbeobachtet – dann konfrontieren wir ihn. Den ganzen Film sehen Sie hier.
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