Kolumne «Heute vor»Fake News in Horgen und eine Steuersenkung für Stäfa
Bereits vor 100 Jahren waren Gemeindeversammlungen hart umkämpft: In Stäfa ging es dabei um eine Steuersenkung von fast 40 Prozent.

Am 16. Januar 1921 stimmte die Gemeindeversammlung in Horgen über eine Lohnerhöhung für Lehrerinnen und Lehrer ab. Die Löhne sollten um 200 Franken pro Jahr steigen, um sie an die Löhne der umliegenden Gemeinden anzupassen. Als Argument gegen die Lohnerhöhung wurden die allgemeine Krise und die damit verbundene Erhöhung der Steuern genannt. Der «Anzeiger des Bezirkes Horgen» druckte nach der Abstimmung einen Artikel, der als «Eingesandt» markiert war. Der Schreiber zitiert darin aus einer Ausgabe der «Schweizerischen Holzarbeiterzeitung»: «Die Besoldung eines Primarlehrers stellt sich auf 7600 bis 8600 Franken». Es ist wahrscheinlich vom Jahreslohn die Rede. Laut dem Schreiber waren diese Lohnangaben zu hoch. Er beschuldigte die Zeitung, die Holzarbeiter mit Falschaussagen für die Gemeindeversammlung zu mobilisieren, damit sie gegen die Lohnerhöhung stimmten. Fake News im Abstimmungskampf vor 100 Jahren? Die Gemeindeversammlung stimmte jedenfalls mit 193 zu 107 Stimmen gegen eine Lohnerhöhung für die Lehrerinnen und Lehrer.
Auch auf der anderen Seeseite ging die Wogen hoch. Am 23. Januar 1921 tagte die Gemeindeversammlung in Stäfa während dreieinhalb Stunden und strich einige Posten aus dem Budget. So wurde etwa der Kredit über 9742 Franken für die Teerung der Seestrasse beim Stäfner Hafen zwischen dem Haus zur Brandschenke und dem «Felsenkeller», damals ein Restaurant beim Dorfeingang, abgewiesen. Die Gemeindeversammlung beauftragte den Gemeinderat stattdessen, «bei der kantonalen Bauverwaltung darauf hin zu wirken, dass auf Kosten des Staates (...) die Strassenverbreiterung ohne Trottoir vorgenommen, die Wasserabflussverhältnisse geordnet, die Strasse gewalzt und die Oberflächenteerung durchgeführt werde.» Durch die Kürzungen im Budget konnte der Steuersatz in Stäfa für das Jahr 1921 von 200 auf 161 Prozentpunkte gesenkt werden.
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