Kommentar zum Fahrverbot an der Langstrasse, ZürichDie Millionen-Bussen zeigen die Fehler bei der Planung
Im Minutentakt werden Autos gebüsst, die tagsüber auf der Langstrasse verkehren. Sie zahlen den Preis für eine unglückliche Verkehrsführung.
An der Zürcher Langstrasse hagelt es Bussen. Aber nicht wegen Drogenhandels oder anderer Milieudelikte, sondern weil Autofahrende das seit September geltende Fahrverbot missachten.
17’310 Bussen hat die Stadtpolizei zwischen dem 8. Januar und dem 8. Februar ausgestellt. Im Schnitt wurde alle zwei Minuten ein Lenker gebüsst, weil er einen 60 Meter langen Abschnitt der Ausgehmeile befahren hat. Höhe der Busse: 100 Franken. Jedes Mal. 1,7 Millionen Franken hat die Stadt bisher damit verdient.
Autofahrer, die gegen die Verkehrsregeln verstossen, haben grundsätzlich kein Mitleid verdient (genauso wenig wie Velofahrerinnen). Man kann von ihnen erwarten, dass sie die zentralen Aufgaben gewissenhaft erfüllen: auf die Strasse achten und Schilder lesen (statt wie ein Herdentier dem vorausfahrenden SUV zu folgen).
Aber an der Langstrasse sind nicht unaufmerksame Verkehrssünder das Problem. Sondern das misslungene Verkehrskonzept der Stadt. Es ist so verwirrend, dass sich viele Autofahrende auch fünf Monate nach der Einführung nicht zurechtfinden – trotz umfangreicher medialer Berichterstattung.
Anfang Januar griff die Stadt darum zur ultimativen Umerziehungsmassnahme: Sie erfasst seither jede einzelne Sünderin mit einer Kamera. Die Betroffenen merken davon nichts, erst eine Woche später kommt die 100-Franken-Busse mit der Post.
Die Beruhigung der Langstrasse ist politisch gewollt, das gewünschte Ziel wurde erreicht, für Velofahrer sind die Zustände auf diesem Teil der Langstrasse paradiesisch – gerade auch im Vergleich zur Situation auf der anderen Seite der Gleise. Und natürlich ist es richtig, dass die Stadt das Fahrverbot an der Langstrasse durchsetzt. Aber dass sie dafür zu automatisierten Massenbussen greifen muss und die Autofahrer schröpft, zeigt das planerische Problem.
Weil die Langstrasse nachts befahren werden kann, sieht man ihr die Verkehrsberuhigung nicht an. Der Verkehr soll tagsüber via die ausgebaute Ankerstrasse rollen, nur fehlt dafür jeder Hinweis. Die Verkehrsführung ist nicht besonders intuitiv.
Der Staat hat immer die Mittel, ein Verkehrskonzept durchzusetzen – und sei es noch so verwirrend. Aber an der Zeit, die es dafür braucht (in diesem Fall lange), und an der Höhe des Bussenbergs (riesig) lässt sich die Qualität der planerischen Arbeit messen.
Die Zahl der Bussen hat sich nach einem Monat halbiert: von 795 auf 387 Bussen pro Tag. Immer noch wird alle drei Minuten ein Auto erfasst. Damit macht die Stadt täglich 38’700 Franken. Natürlich geht es ihr nicht darum, mit Bussen Geld zu verdienen. Aber dass sich die verwirrende Verkehrsführung für sie auch noch auszahlt, geht einfach zu weit.
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