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Färöer überraschen an der EM
Die Handball-Hallen sind ihre Copacabana

Die Färinger feiern das Unentschieden gegen Norwegen wie einen Sieg.
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Eigentlich gibt es in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin nur Sitzplätze. Eigentlich, denn die Färinger stehen lieber. Rund 6000 Fans sind nach Berlin gereist, um ihre Mannschaft bei der ersten Europameisterschaftsteilnahme überhaupt zu unterstützen. Das ist mehr als ein Zehntel der Bevölkerung.

Es ging sogar das Gerücht um, die Schulen seien geschlossen, damit die Kinder nach Deutschland reisen können, um die Handballer zu sehen. Es soll nichts dran sein. «Aber viele Kinder werden trotzdem nicht im Unterricht sein», sagte der Spieler Elias Ellefsen á Skipagötu.

Hallur Danielsen, der seit zehn Jahren beim färöischen Handballverband arbeitet und die Entwicklung mitprägte, sagt: «Es wird akzeptiert, dass viele Kinder zu Hause bleiben.» Er wisse von einer Schule in Hoyvìk, wo die Hälfte der Schüler fehle.

Auch die anderen Fans hielten es in der Schlussphase gegen Norwegen nicht mehr auf ihren Sitzen aus. Alle fieberten mit dem krassen Aussenseiter aus dem hohen Norden mit. 23:26 lagen die Färöer kurz vor Ende noch zurück, in den Schlusssekunden verwandelte Skipagötu, natürlich er, einen Siebenmeter zum Remis.

Hallen sind immer offen

Die Geschichte des modernen Handballs auf den Färöer-Inseln lässt sich gut am Beispiel von Skipagötu erklären. Der 21-Jährige gehört zu einer Generation von jungen Wilden. Á Skipagötu spielt beim THW Kiel, einem der Spitzenclubs im Welthandball. Mit ihm gewannen die Färöer 2019 die European Open Championship, eine inoffizielle Junioren-EM.

«Da haben wir uns gedacht, warum soll es bei den Erwachsenen nicht klappen, wenn wir bei den Junioren die Besten sind?», erklärt Verbandsfunktionär Hallur Danielsen. Er nimmt sich am Tag nach der Sensation gegen die Norweger viel Zeit, um die Entwicklung des Handballs auf den Schafsinseln zu erklären. «Wir hatten 2013 einen Mann, der acht Stunden pro Woche für den Verband arbeitete. Innerhalb von einem Jahr bauten wir das auf zwei Vollzeitstellen aus», sagt Danielsen. Eine davon übernahm er selbst.

Die Färinger starteten ein Spielerförderprogramm, schufen neue Strukturen.  Handball soll wieder die Nummer-1-Sportart im Land werden. «Einige Leute dachten, dass wir verrückt seien, als wir mit der Idee kamen», sagt Danielsen. Dabei hat der Sport auf den Färöern Tradition. Etwa fünf Prozent der Bevölkerung spielt Handball. In Deutschland, dem grössten Handballverband der Welt, sind es rund 0,8 Prozent. In der Schweiz nur gut 0,2 Prozent. «Es gibt in keinem anderen Land eine so hohe Dichte an Handballern», sagt Danielsen.

Das dürfte auf zwei Faktoren zurückzuführen sein. Zum einen auf das Wetter: Die Färöer sind windig, kühl und nass – keine optimalen Bedingungen für Fussball. Dafür sind die Handball-Hallen immer offen. Mit dem Handball auf den Färöern sei es wie mit dem Fussball in Brasilien. Die Kinder spielen in jeder freien Minute. «Die Handball-Hallen sind so was wie unsere Copacabana», sagt Danielsen. Das ergebe das einzigartige Spiel der Färöer, meint er. So hat auch Skipagötu einst begonnen.

Handball als Familienunternehmen

Mit ihrem attraktiven Passspiel und ihrem Spielwitz begeistern die Färöer an der EM. Gegen Norwegen versuchten sie sich im Angriff fast immer mit dem siebten Feldspieler. Trainer Peter Bredsdorff-Larsen sagt von sich selbst zwar, dass er kein Fan von diesem 7-gegen-6 ist. Da ist er noch alte Schule. «Aber es war eine mutige Sache und wir sind gerne mutig», so der Däne.

15.01.2024; Berlin; Handball Mens EHF Euro 2024 -  Polen - Faeroeer, Fans Faeroeer
(Claudio Thoma/freshfocus)

Orchestriert hat dieses «mutige» Spiel Elias Ellefsen á Skipagötu. Und damit zurück zu ihm – oder besser zu seiner Familie. Denn Handball auf den Färöern ist ein Familienunternehmen. Im aktuellen Nationalteam stehen auch der Bruder und zwei Cousins des Spielmachers. Zudem ist die Mutter von Skipagötu die Verbandspräsidentin. «Wir sind nur 55’000 Personen, da ist jeder irgendwie mit dem anderen verwandt», sagt Danielsen. Die Wege seien kürzer, weil man sich kenne. Auf dieser 1400 Quadratkilometer grossen Insel sehen sie im Kleinen nur die Vorteile.

Dennoch endet das Handballmärchen am Dienstagabend. Die Färöer verlieren trotz neun Toren von á Skipagötu 28:32 gegen Polen. Trotzdem verspricht Danielsen: «Wir werden wiederkommen.» Man glaubt es ihm.