Hass im InternetFacebook soll für Fake News haften
Schluss mit Hass- und Falschmeldungen: SP-Nationalrat Jon Pult möchte die Internetplattformen für illegale Inhalte in der Schweiz zur Verantwortung ziehen. Es wäre ein weltweites Novum.
Facebook gebe dem Profit Vorrang vor den Menschen. So lautet der Vorwurf, den die Whistleblowerin Frances Haugen gegen den Internetgiganten unlängst öffentlich erhob. Die von Haugen publik gemachten «Facebook Files» zeigen auf, wie der kalifornische Grosskonzern schädliche Inhalte fördert. Aus Hunderten interner Dokumente geht hervor, dass die Kontrollinstanzen von Facebook mit der Löschung von Hass- und Falschmeldungen überfordert sind. Und dass die Facebook-Algorithmen einer gefährlichen Polarisierung der Gesellschaft Vorschub leisten.
Dagegen will der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult nun politisch vorgehen – mit einer Regelung, die weltweit ein Novum darstellen würde. Pult fordert in einer parlamentarischen Initiative, dass soziale Plattformen und Internetsuchmaschinen für eklatante Fake News künftig juristisch haften. «Die Gesetzgebung ist so anzupassen, dass entsprechende Internetplattformen für gesetzeswidrige Inhalte, die sie verbreiten, auch dann verantwortlich gemacht werden können, wenn diese von Dritten stammen», heisst im Entwurf der Initiative, der dieser Redaktion vorliegt.
Klassische redaktionelle Medien wie Zeitungen und Radiosender seien jetzt schon haftbar für die Informationen, die sie veröffentlichten, sagt Pult. Er hält es für angebracht, diese Regelung bei illegalen Inhalten auf Facebook und Google zu übertragen. Die durch die Internetplattformen geförderte Desinformation und Radikalisierung seien eine «echte Gefahr für die freie Meinungsbildung und die Demokratie». Das hätten die Enthüllungen um Facebook deutlich gezeigt.
Der Bedeutungsverlust der traditionellen Medien verschärfe das Problem noch, findet Pult. «Faktisch üben die Techgiganten heute einen digitalen Service public aus, ohne sich aber um Fairness, Transparenz und Sachgerechtigkeit zu kümmern.» Pult hofft, mit seinem Vorstoss eine Debatte anzustossen. Es gelte zu diskutieren, «wie wir Google, Facebook und Co. besser unter gesellschaftlich-demokratische Kontrolle bringen».
Bürgerliche skeptisch
Einen Konsens zu finden, dürfte nicht einfach werden. «Ich bin offen für eine Debatte über dieses Thema», sagt der St. Galler FDP-Nationalrat und IT-Spezialist Marcel Dobler. «Ich zweifle aber daran, dass diese parlamentarische Initiative der richtige Weg ist.» Dobler glaubt, dass Facebook technisch kaum in der Lage wäre, die Kontrollen der Inhalte wirkungsvoll durchzuführen. Wenn es um schwere Verbrechen wie Kinderpornografie gehe, würden die Internetfirmen überdies schon heute mit der Polizei kooperieren und künstliche Intelligenz zur Erkennung verwenden.
Skeptisch zeigt sich auch der Luzerner SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter. Er fürchtet politische Zensur, hat aber auch prinzipielle Einwände: «Soll etwa Google dafür haften, wenn es auf einen Zeitungsartikel verlinkt, der falsche Informationen enthält?»
Die Firmen Facebook und Google wollten auf Anfrage keine Stellung nehmen. Bei Google betont man indes, dass man schon heute «verantwortungsvoll» mit Inhalten umgehe und Hassreden oder Desinformation bekämpfe.
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