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Europäisches Forschungsprojekt
Darum müssen Zürcher Bäume ein weisses Kästchen tragen

Nadeln messen den Saftfluss: Sensor an einem Baumstamm auf der Fritschiwiese in Wiedikon.
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Die Linde trägt eine Art Rucksack. Am Stamm des Baumes auf der Fritschiwiese in Wiedikon ist mit Plastikbändern ein weisses Kästchen festgezurrt.

Bei dem ungewöhnlichen Gebilde handelt es sich um einen Saftfluss-Sensor, wie Carina Schulze, Sprecherin von Grün Stadt Zürich, auf Anfrage sagt.

Die Sensoren messen das Wasser, das in den Leitbahnen von der Wurzel in die Krone transportiert wird. Dazu wurden drei Nadeln von drei Zentimeter Länge und rund einem Millimeter Durchmesser senkrecht in den Baumstamm gebohrt – die Nadeln messen quasi den Puls der Bäume. In der weissen Box befinden sich die Batterie und der Datenlogger, der die Messdaten aufzeichnet.

Kohlenstoffkreislauf besser verstehen

Die Messungen finden im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts «Biosphäre Messung ICOS» in Zusammenarbeit mit der Universität Basel und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) statt, wie Schulze sagt. Das Integrated Carbon Observation System soll der Wissenschaft Daten zum besseren Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs und dessen Beeinflussung durch menschliche Aktivitäten liefern.

Bei korrekter Installation des Sensors ist die Beschädigung des Baumes gering, wie die Forschenden betonen.

Dazu werden in Zürich an mehreren Stadtbäumen Saftflussmessungen vorgenommen, neben der Fritschiwiese auch im Bullingerhof und im Hardaupark im Kreis 4.

Wie reagieren Bäume auf Stressfaktoren?

«Wir wollen besser verstehen, wie Bäume auf das städtische Umfeld reagieren», sagt die Umweltwissenschaftlerin Sophie Emberger vom Institut für Agrarwissenschaften an der ETH Zürich, die ebenfalls am Forschungsprojekt beteiligt ist. Bislang gebe es nur wenige Studien zur Ökophysiologie von Stadtbäumen, also dazu, wie diese auf das städtische Klima und die damit verbundenen Stressfaktoren reagieren.

Zu den Stressfaktoren, die den Wassertransport im Baum beeinflussen können, gehören die Versiegelung der Oberflächen, vermehrte Hitzetage und der städtische Wärmeinseleffekt. Dabei geht es um das Phänomen, dass in urbanen Gebieten im Vergleich zur ländlichen Umgebung in Bodennähe höhere Lufttemperaturen beobachtet werden.

Der Saftfluss einzelner Bäume ist laut Emberger auch deshalb von Interesse, weil die Vegetation bei der Kühlung von Städten und bei der Bindung von CO₂ eine wichtige Rolle spielt. Der Saftfluss sei eine Messgrösse des Wassertransports und daher der Transpiration der Bäume. Doch wie genau die Stadtbäume das Strassenklima veränderten, sei noch zu wenig bekannt.

Daneben wird laut der ETH-Forscherin auch die Überwachung der Kohlendioxidemissionen städtischer Gebiete immer wichtiger, um den Fortschritt bei der Verwirklichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens zu bewerten. Deshalb brauche es mehr Erkenntnisse zur lokalen CO₂-Entwicklung an der Oberfläche, sei es zu Gebäude- und Verkehrsemissionen, menschlicher Atmung, Boden- und Pflanzenatmung.

Die Sensoren an den Baumstämmen auf der Fritschiwiese messen quasi den Puls der Bäume.

Doch was bedeutet die Neugier der Klimaforschenden für die Bäume selber, werden sie durch die Sensornadeln nicht beschädigt?

«Eingriff minimal»

Bei korrekter Installation des Sensors sei die Beschädigung des Baumes gering, sagt ETH-Forscherin Emberger. Es handle sich um eine weitverbreitete Methode zur Messung des Wassertransportverhaltens im Baum. Darum mache auch Grün Stadt Zürich eine Ausnahme, da normalerweise keine Installationen an Stadtbäumen zugelassen sind.

Emberger weist darauf hin, dass beim Baum nur die dünne Schicht zwischen der Rinde und dem Holz – Kambium genannt – aus lebendigen Zellen bestehe, während der Rest aus nicht lebendigen Zellen bestehe. «Da die Nadeln einen sehr geringen Durchmesser haben, ist der Eingriff ins Kambium minimal.» Gesunde Bäume seien zudem sehr robust und reagierten auf eine solche Störung mit einer Art Abschottungsprozess, wodurch sie sich vor potenziellen Infektionen schützen könnten.

Noch bis Ende Jahr

Die Saftflussmessungen dauern noch bis Ende dieses Jahres.

Wie die Linde auf der Fritschiwiese die Stressfaktoren des Stadtklimas aushält, kann laut Emberger noch nicht gesagt werden. Zu den laufenden Messungen lägen noch keine definitiven Resultate vor, dafür sei die Messzeit noch zu kurz.