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EU-Gipfel
EU schliesst Reihen gegen Putin

Gastgeber Emmanuel Macron drängt die Staats- und Regierungschefs der EU beim informellen Gipfel im Schloss Versailles zu mehr Souveränität bei Verteidigung und Energieversorgung.
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Strahlend blauer Himmel, roter Teppich, Ehrengarden in historischen Uniformen und Fanfaren bei der Vorfahrt zwischen den historischen Mauern. Die Kulisse hätte nicht symbolträchtiger, der Kontrast zum Ernst der Lage kaum grösser sein können. Emmanuel Macron hat die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag im Schloss von Versailles empfangen. «Ich bin beunruhigt und pessimistisch», sagte Frankreichs Präsident mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine. Europa sei jedoch vereint angesichts dieses Kriegs.

Die Lokalität für den zweitägigen informellen Gipfel sei vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine bestimmt worden, hiess es aus französischen Regierungskreisen. Emmanuel Macron richtet das Treffen aus, weil Frankreich derzeit den EU-Rats-Vorsitz hat. Für den Präsidenten auch eine Gelegenheit, sich vor der Wiederwahl im April vor seinen Landsleuten als grosser Staatenlenker zu profilieren. Eigentlich hätte es um unverfänglichere Wirtschaftsthemen gehen sollen. Jetzt ist Wladimir Putin selbst im Schloss von Versailles der Elefant im Raum.

Krieg gegen Zivilisten

Macron erinnerte daran, dass er einst in besseren Zeiten auch den russischen Präsidenten in den historischen Gemäuern empfangen habe. Das Schloss von Versailles kann es durchaus mit dem Kreml aufnehmen. Nichts rechtfertige es, einen Krieg anzufangen, sagt der französische Präsident heute. Angesprochen auf die Lage in der belagerten Stadt Mariupol, warf er Wladimir Putin vor, einen Krieg zu führen, dessen Ziel es sei, Zivilisten zu töten, allen voran Frauen und Kinder. Es werde keine Lösung in den nächsten Stunden und Tagen geben, zeigte sich Macron pessimistisch mit Blick auf eine Waffenruhe: «Wir müssen uns auf alle Szenarien gefasst machen.»

Die Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedsstaaten waren in einer langen Wagenkolonne vorgefahren und einzeln von Macron im Hof des Schlosses begrüsst worden. Für eine erste Aussprache zog man sich in den sogenannten Herkulessaal zurück, einst eine Kapelle. Später war für das Arbeitsessen im Spiegelsaal aufgetischt, in dem Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg den Friedensvertrag unterzeichnen musste. Nun ging es um Putins Krieg und Europas Antwort darauf: «Wir entdecken, dass unsere Demokratie und unsere Werte bedroht sind», sagte Macron. Europa müsse bereit sein, seine eigenen Werte zu verteidigen. Auf der Agenda stand konkret die Frage, wie Europa sich möglichst rasch aus der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl befreien kann. Und wie gleichzeitig Bürgerinnen und Unternehmen vor Preissteigerungen geschützt werden können.

Gemeinsam bei Verteidigung

Europa ist vereint, doch Macron will diese Einheit und Widerstandskraft noch weiter stärken. Die EU-Kommission hat einen Plan vorgelegt, wie die Mitgliedsstaaten schon bis Ende Jahr den Import von russischem Gas und Öl um zwei Drittel reduzieren könnten. Man will die Lieferanten diversifizieren, viel mehr Flüssiggas importieren und Eigentümer von Gasspeichern verpflichten, diese vor dem nächsten Winter zu füllen. Gleichzeitig soll der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigt werden.

Thema war auch, wie die EU-Staaten gemeinsam ihre Kapazitäten bei der Verteidigung stärken können. Europa müsse bei der Energieversorgung und der Verteidigung unabhängiger und souveräner werden, betonte Macron. Für den französischen Präsidenten ist Europas «strategische Souveränität» ein Kernanliegen, das er jetzt auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs beschleunigt vorantreiben will. Einigen im Club geht es dabei zu schnell. So stiess Macrons Idee für einen neuen Verteidigungsfonds vorerst auf wenig Gegenliebe. Die EU-Kommission hätte ähnlich wie beim Corona-Wiederaufbaufonds Mittel in der Höhe von 200 Milliarden Euro aufnehmen und damit gemeinsame Rüstungsprojekte der Mitgliedsstaaten finanzieren sollen.

Die Kritiker argumentieren, dass die Mittel aus dem 850 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft seien. Aus Sicht von Mitgliedsstaaten wie Deutschland oder den Niederlanden sollte die gemeinsame Aufnahme von Schulden zudem eine einmalige Sache sein. Die Staats- und Regierungschefs versuchten angesichts der ernsten Lage jedoch, Differenzen zu überspielen. Niemand habe dieses Mass an Einigkeit, Geschlossenheit und Solidarität erwartet, sagte etwa der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz: «Mein Wunsch ist, dass das so bleibt und die Europäische Union ihre Kraft entfaltet und dafür sorgt, dass der Frieden eine Chance hat.»

Beitrittskandidat Ukraine?

Meinungsverschiedenheiten gibt es jedoch auch dazu, wie die EU mit den Beitrittsgesuchen der Ukraine, Georgiens und Moldaus umgehen soll. Osteuropäische EU-Staaten drängen, der Ukraine als Akt der Solidarität rasch den Status als Beitrittskandidat zu gewähren. Beitrittsverhandlungen seien ein langwieriger Prozess und nichts für ein Land im Krieg, so die Mehrheit. Ein Assoziierungsabkommen hat die Ukraine schon, doch die Möglichkeiten sind dort noch nicht ausgeschöpft. Das Land könnte an einer Reihe zusätzlicher EU-Programme teilnehmen, Regierungsmitglieder könnten regelmässig zu Ministertreffen in Brüssel eingeladen werden.

Die Staats- und Regierungschefs haben am Gipfel eine «Erklärung von Versailles» verabschiedet. Russland habe vor zwei Wochen den Krieg nach Europa zurückgebracht, heisst es dort: Russlands unprovozierter und ungerechtfertigter Angriff verletze internationales Recht, untergrabe Europas Sicherheit und verursache unvorstellbares Leid für die ukrainische Bevölkerung: «Wir sind solidarisch mit der Ukraine und ihrer Bevölkerung.» Ob diese Botschaft in der Ukraine ankommt, ist eine andere Frage.

Emmanuel Macron begrüsst Olaf Scholz, den deutschen Bundeskanzler.