David SassoliPräsident des EU-Parlaments gestorben
Der Politiker David Sassoli ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Der Parlamentspräsident war schon länger in einem italienischen Spital in Behandlung.
Die Nachricht kam mitten in der Nacht: David Sassoli ist tot. Der Präsident des EU-Parlaments starb in der Nacht zum Dienstag in einem italienischen Krankenhaus, wie sein Sprecher Roberto Cuillo auf Twitter mitteilte. Der 65-Jährige befand sich dort seit mehr als zwei Wochen «wegen einer schweren Komplikation aufgrund einer Funktionsstörung des Immunsystems» in Behandlung. Die Spitzen der EU und Kollegen des Parlamentspräsidenten äusserten sich erschüttert über Sassolis Tod und würdigten seine Verdienste um Europa.
Der Parlamentspräsident war nach Angaben seines Sprechers am 26. Dezember in das Krankenhaus in Aviano im Nordosten Italiens eingeliefert worden. Seine offiziellen Termine wurden seitdem abgesagt. Im September war er bereits wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus behandelt worden und konnte mehrere Wochen lang nicht seinen Aufgaben als EU-Parlamentspräsident nachgehen. Zuvor war er ausserdem einmal an Leukämie erkrankt.
Sassolis Tod löste Bestürzung in der EU aus. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äusserte sich auf Twitter «zutiefst betroffen über den schrecklichen Verlust eines grossen Europäers und stolzen Italieners». Sie würdigte ihn als einen «herausragenden Präsidenten des Europäischen Parlaments». Ihre Gedanken seien bei der Familie des Verstorbenen. EU-Ratspräsident Charles Michel bezeichnete Sassoli als «aufrichtigen und leidenschaftlichen Europäer».
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Auch Sassolis mögliche Nachfolgerin Roberta Metsola äusserte sich erschüttert. «Europa hat einen Anführer verloren, ich habe einen Freund verloren, die Demokratie hat einen Vorkämpfer verloren», erklärte die maltesische Europaabgeordnete auf Twitter.
Sassoli hatte den Parlamentsvorsitz seit der Europawahl 2019 inne. Seine Amtszeit lief diesen Monat zur Hälfte der Legislaturperiode gemäss einer Absprache der EU-Staats- und Regierungschefs aus. Sassoli hatte bereits angekündigt, dass er nicht zur Wiederwahl antreten wollte.
Nach Angaben des Parlaments werden die Abgeordneten während der Plenarsitzung in Strassburg am kommenden Dienstag über seine Nachfolge entscheiden. Durch den Verzicht der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im Parlament auf einen eigenen Kandidaten gilt nun Metsola als Favoritin bei der Wahl. Die Malteserin ist derzeit eine der Vizepräsidentinnen der EU-Volksvertretung.
«Ich bin kein Mann des Rates»
Sassoli gehörte der sozialdemokratischen Partei Partito Democratico (PD) an. Er war seit Juli 2019 Präsident des Europäischen Parlaments gewesen. Zuvor hatte er von 2014 bis 2019 den Posten des Vizepräsidenten in der EU-Institution und hatte damit noch rund drei Jahre (2014 bis 2017) als Vertreter des damalige Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz gearbeitet.
Sein Aufstieg zum Präsidenten des EU-Parlaments kam für viele überraschend, da Italien 2019 mit dem heutigen Regierungschef in Rom, Mario Draghi, als Chef der Europäischen Zentralbank und Federica Mogherini als EU-Aussenbeauftragter noch zwei weitere Spitzenposten besetzt hatte.
Sassoli stellte klar, dass er seine Wahl auch als Zeichen der Unabhängigkeit des Parlamentes im Machtkampf mit den Regierungen der EU-Staaten sah. «Ich bin kein Mann des Rates», sagte er nach seiner Wahl mit Blick auf die Vertretung der Mitgliedstaaten.
Parlamentsdebatten führte der «Presidente» mit harter Hand, jedoch ohne verbale Ausbrüche. Seine zweieinhalbjährige Amtszeit wurde durch die Corona-Pandemie geprägt. So musste er die Umstellung des Parlamentsbetriebs auf Telearbeit koordinieren. Als Zeichen seiner Solidarität inmitten der Krise stellte er die verwaisten Räumlichkeiten des Parlaments sowohl in Strassburg als auch in Brüssel zur Verfügung, um Mahlzeiten für bedürftige Familien zuzubereiten und ein Corona-Testzentrum einzurichten.
Kritisch gegenüber Migrationspolitik
Vor seiner politischen Karriere arbeitete Sassoli als Journalist. Der Werdegang des studierten Politikwissenschaftlers startete zunächst bei kleineren Tageszeitungen. 1985 schaffte er es in die Redaktion der römischen Zeitung «Il Giorno» (Der Tag). Später landete er schliesslich im Fernsehen und moderierte sogar die Hauptnachrichtensendung TG1 des öffentlich-rechtlichen Senders Rai 1.
Sassoli galt unter anderem als Kritiker der Migrationspolitik vieler Mitgliedsstaaten. Immer wieder setzte er sich für die Belange von Menschen auf der Flucht ein. In Italien ist Migration besonders zwischen linken und rechten Parteien ein Streitthema, da in dem Mittelmeerland sehr viele Migranten auf ihrer Flucht in Booten ankommen, um in die EU zu gelangen. Er galt zudem als progressiver Katholik. Nach Angaben seiner Partei war er schon als Jugendlicher bei den Pfadfindern und hatte sich in katholischen Jugendgruppen engagiert.
Er hinterlässt zwei Kinder. «Das Datum und der Ort der Beerdigung werden in den nächsten Stunden bekannt gegeben», schrieb Sassolis Sprecher auf Twitter.
AFP/SDA/aru
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