Staaten treiben Gewinne einEU beschliesst brisantes Gesetz gegen hohe Energiepreise
Verbraucher sollen durch die Abschöpfung übermässiger Gewinne von Energiekonzernen entlastet werden. Brüssel geht von Einnahmen von rund 140 Milliarden Euro aus. Die wichtigsten Fragen beantwortet.
Die Europäische Union hat am Freitag ein Energiepreis-Entlastungspaket für die Verbraucher geschnürt. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine für Energie zuständigen Kollegen beschlossen in Brüssel ein Gesetz, um übermässige Gewinne europaweit abzuschöpfen. Streit gibt es allerdings über die Gaspreise.
Was umfasst der Beschluss?
Eine Art Robin-Hood-Prinzip: Die EU-Staaten treiben aufgeblähte Gewinne von Energiekonzernen ein, die den massiven Preissteigerungen durch den Ukraine-Krieg geschuldet sind. Die Einnahmen wollen die Regierungen dann an bedürftige Haushalte und Unternehmen weiterleiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die möglichen Einnahmen auf rund 140 Milliarden Euro beziffert. Das Geld werde «denjenigen zugute kommen, die es am meisten brauchen», versprach sie.
Welche Energie-Erzeuger sind betroffen?
Abgeschöpft werden sollen übermässige Gewinne bestimmter Energie-Unternehmen, die Strom vergleichsweise günstig aus Wind- und Solarenergie, Kernkraft oder Braunkohle produzieren. Sie profitieren von den extrem hohen Gaspreisen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Denn in Europa orientiert sich der Strompreis an der teuersten Quelle, und die ist derzeit Gas.
Wie funktioniert das Abschöpfen?
Der Gewinn der Erzeuger wird gedeckelt. Als Richtwert gelten 180 Euro pro Megawattstunde Strom, das ist etwa die Hälfte des derzeitigen Marktpreises. Alles darüber können die Mitgliedsländer eintreiben. Allerdings einigten sich die Mitgliedstaaten darauf, diesen Deckel flexibel anzuwenden. Das heisst, sie können je nach Bedarf mehr oder weniger abschöpfen.
Was ist mit Öl-, Gas- und Treibstoffkonzernen?
Für solche Konzerne wird in der EU für die Dauer der Krise eine verpflichtende «Solidaritätsabgabe» eingeführt. So sollen etwa Mineralölkonzerne im laufenden Jahr «übermässige Gewinne» abgeben müssen, wenn sie mindestens 20 Prozent über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liegen. Auch dieses Geld wollen die Mitgliedsländer an die Verbraucher weitergeben.
Welche Rolle spielt das Energiesparen?
Eine grosse. Per Stromsparpflicht soll der nationale Energieverbrauch um mindestens fünf Prozent zu Spitzenzeiten sinken. Ziel ist, die Energiemärkte zu beruhigen und die Preise zu senken, wie es in der EU-Verordnung heisst.
Wie schnell greifen die Pläne?
Die geplante EU-Verordnung gilt unmittelbar. Sie greift nach dem Beschluss vom Freitag also bereits diesen Winter.
Was ist mit den Gaspreisen?
Darüber streitet die EU noch. Deutschland hatte am Donnerstag eine nationale Gaspreisbremse statt der umstrittenen Gasumlage für die Verbraucher angekündigt. Den «Abwehrschirm» von bis zu 200 Milliarden Euro will die «Ampel» über Kredite finanzieren.
Was ist das Problem?
Viele andere EU-Länder können sich eine solche Schuldenfinanzierung nicht leisten. Eine Mehrheit von 15 der 27 Staaten dringt deshalb auf eine europaweite Preisobergrenze für Gasimporte. Deutschland ist bisher dagegen. Berlin argumentiert wie die EU-Kommission, die USA, Norwegen oder Algerien könnten das dringend benötigte Flüssiggas (LNG) nach Asien liefern, wenn Europa ihre Gewinne begrenzen will.
Wirtschaftsminister Habeck räumte aber ein, dass sich die Partnerländer wegen der russischen Gaslieferstopps derzeit «dumm und dämlich verdienen». Er plädiert deshalb dafür, mit den Ländern zu sprechen.
AFP/sep
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