Leidender Tour-TitelverteidigerIst Egan Bernal etwa doch kein Seriensieger?
Der Kolumbianer verliert in der schweren Etappe im Massif Central 38 Sekunden und einen Platz. Aber das Bild, das er dabei abgibt, spricht eine viel deutlichere Sprache.
Lockere Momente sind an der Tour selten. Ein Motorrad-Kameramann fängt auf der 13. Etappe einen raren ein. Titelverteidiger Egan Bernal blickt direkt in die Linse, streckt die Zunge weit heraus und drückt den Daumen unters Kinn. Der Daumen steht für das Messer am Hals, die Geste meint: «Ich kann nicht mehr!»Natürlich macht Bernal das scherzhaft. Noch. Vielleicht spürt er auch unbewusst, was sich anbahnt. Trotzdem lässt er seine Kollegen von Ineos-Grenadier das Tempo machen in der Gruppe der Favoriten. Auf dieser Etappe im Massif Central, auf der es keinen Meter gratis gibt, weil die Strasse entweder ansteigt oder der Belag bergab so schlecht zum Rollen ist, dass man auch dann noch ständig die Pedalen drücken muss.
Martinez’ cooler Finish
Das Team, das die Tour de France zuletzt nach Belieben dominiert und sechs der vergangenen sieben Ausgaben gewonnen hat, macht, was es immer gemacht hat. Nur folgt, als sich der letzte Helfer erschöpft ausklinkt, nicht Teamleader Bernals Angriff. Sondern jener der Gegner. Tadej Pogacar, das nächste Grosstalent, das den 22. Geburtstag erst nach der Tour feiert, und Gesamtleader Jaune Primoz Roglic fahren davon. Zugleich beginnt auf diesen letzten zwei steilen Kilometern hoch nach Puy Mary das Leiden des Egan Bernal.
Sein Landsmann und Etappensieger Daniel Martinez, auch er erst 24, aus der grossen Fluchtgruppe losgefahren, ist da längst im Ziel angekommen, nach begeisterndem Duell mit dem Deutschen Lennard Kämna.
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Verwundert reiben sich die Zuschauer angesichts Bernals Mühen die Augen. Ist das der Mann, der sonst bergauf zu schweben scheint? Der vorigen Sommer durch Frankreich fuhr, als gäbe es nichts Leichteres, als sehr zügig und mit grosser Übersetzung über die Alpenpässe zu stürmen? Im damaligen Juli gewann er die Tour, 22-jährig. Es schien in dem Moment ausser Frage, dass es der erste einer langen Reihe von Siegen würde.
Was man damals schon hätte bemerken können: Egal wie überlegen viele Sieger gewesen waren – in 107 Tour-Ausgaben schafften nur gerade 15 Fahrer zwei Gesamtsiege in Folge.
Den grossen Gang hat Bernal auch jetzt eingelegt. Doch wenn die Beine nicht ganz so selbstverständlich drehen, schaut das ziemlich schwerfällig aus. Auf der Rangliste sind es dann zwar relativ überschaubare 38 Sekunden, die Bernal auf Roglic und Pogacar einbüsst. Damit fällt er einen Platz zurück auf Gesamtrang 3 – eine knappe Minute hinter Roglic. Das ist nicht sonderlich viel. Nach dieser Vorstellung wirkt es aber wie eine Vorentscheidung.
Zwei wichtige Köpfe fehlen
Es scheint, als ob dem einstigen Team Sky mit dem zweiten Namenswechsel innert Jahresfrist grosse Stücke seiner Sieger-DNA abhandengekommen sind. Was umso bemerkenswerter ist, weil das Personal zu grössten Teilen dasselbe ist. Im Aufgebot fehlen zwar die Tour-Sieger Froome und Thomas. Doch ihre Formstände waren keine Argumente für ein Aufgebot.
Schwerer wiegen wohl die zwei fehlenden Köpfe im Hintergrund: Performance-Direktor Rod Ellingworth wechselte auf diese Saison zu Bahrain-Merida. Und im Frühling erlag der Sportliche Leiter Nicolas Portal einem Herzinfarkt. Der Franzose war integrativer Bestandteil der Tour-Equipen gewesen, hatte die Fahrer bei den Tour-Triumphen 2–6 von Sky/Ineos im Teamauto begleitet. Er war viel mehr als nur der Mann am Funk – auch für Egan Bernal.
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