Ständerat Josef DittliWas der Schweizer Wahlbeobachter zu Trumps Manöver sagt
Schweizer OSZE-Wahlbeobachter Josef Dittli befürchtet Ausschreitungen und wüste Proteste, welche Donald Trump noch zusätzlich anheize.

Nach einem langen Wahltag und einer kurzen Nacht wirkt Josef Dittli leicht aufgekratzt. Es ist 6 Uhr in Washington D.C.: Der einzige Schweizer Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gibt einen Einblick in seine Impressionen dieser aussergewöhnlichen Wahl.
«Es ist völlig daneben, dass Donald Trump das Auszählen der Stimmen angeblich stoppen will.»
Es sei ruhig auf den Strassen der amerikanischen Hauptstadt, berichtet Dittli. Washington D.C. liegt noch in einem fiebrigen Schlaf nach einem aufregenden 3. November, dem offiziellen Wahltag für die Präsidentschaft. Diese Ruhe werde nicht lange andauern, ist der Urner FDP-Ständerat überzeugt. Er erwartet einen turbulenten Tag: «Es ist völlig daneben, dass Donald Trump das Auszählen der Stimmen angeblich stoppen will.» Das entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage, und Trump entfache damit einen gefährlichen Funken, der zum Flächenbrand werden könnte: «Ich gehe davon aus, dass es heute Krawalle geben wird.»
Ein ruhiger Wahltag
Denn schon in der Wahlnacht hat Dittli vor dem Weissen Haus hautnah miterlebt, wie die Fronten aufeinanderprallten. Es sei vor allem laut gewesen, Schlafen kaum möglich und die Verpflegung schwierig. Alle Restaurants und Imbissbuden waren aus Angst vor Ausschreitungen verriegelt, und im Hotel, nur wenige Meter neben dem Weissen Haus, gabs wegen der Corona-Vorschriften ebenfalls nichts zu essen.

Viel ruhiger, ja richtig gesittet sei es hingegen am Wahltag zu- und hergegangen. «Es gab zwar lange Schlangen vor den Wahllokalen», so Dittli, «aber bei unseren Beobachtungen in Washington D.C. und Maryland war alles sehr gut organisiert.» Und es sei zu keinerlei komischen Situationen unter den Wählenden gekommen. Wer republikanisch wähle, habe sich offensichtlich zurückgenommen. Plakate habe er nur für den Herausforderer Joe Biden gesehen, beobachtete Dittli.
Aber speziell sei es schon, das amerikanische Wahlprozedere. Gewöhnungsbedürftig sei für einen Schweizer vor allem, dass man sich zuerst identifizieren lassen müsse, bevor man seine Stimme abgeben könne. Bemerkenswert ist laut Dittli auch, dass man direkt an einem Computer seinen Kandidaten mit einem Klick wählen könne. Eine Eigenheit hat dem Urner Politiker besonders gut gefallen: Alle Erstwähler werden mit spontanem Applaus gefeiert.
Zu wenig Privatsphäre
Und gibt es etwas als OSZE-Wahlbeobachter zu bemängeln? Einzig die Privatsphäre bei der Stimmabgabe im Wahllokal sei für europäische Verhältnisse nicht richtig gewährleistet. Es gebe zu wenig Abstand zwischen den Wählenden, diese seien zu wenig von den Blicken der anderen geschützt, sagt Dittli. Erst in zwei, drei Monaten werden dann die OSZE-Langzeitbeobachter ihr Fazit fällen: Sie haben ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, wie die Wahlregister gehandhabt werden. Wer darf sich eintragen, wie sind die Kriterien ausgestaltet, werden Menschen gezielt diskriminiert?
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