US-Präsident in der KriseEs wird einsamer um Donald Trump
Der US-Präsident blamiert sich während der Coronavirus-Krise, selbst Republikaner wenden sich von ihm ab – doch ein grosser Teil der Bevölkerung hält weiter zu ihm.
Es war die wohl merkwürdigste Ansprache eines amerikanischen Präsidenten, jene Rede, die Donald Trump im Januar 2017 bei seiner Amtseinführung hielt. «Das amerikanische Blutbad hört jetzt und hier auf», sagte er und meinte wahre wie eingebildete Krankheiten, an denen Amerika litt.
Die Rede, befand Ex-Präsident George W. Bush, der nahe Trump auf der Tribüne vor dem Capitol sass, sei «eine seltsame Scheisse» gewesen. Fast dreieinhalb Jahre später ereignet sich ein wahrhaftes amerikanisches Massaker. In Kürze wird das Coronavirus in nur vier Monaten mehr Amerikaner getötet haben als der Vietnamkrieg in zwei Jahrzehnten.
Donald Trump spricht gern von einem «Krieg», der gegen den Erreger geführt werde. Der Oberbefehlshaber aber ist eine tragische Figur inmitten der grössten amerikanischen Herausforderung seit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941. Tragisch, weil zu klein für ein grosses Amt (lesen Sie dazu hier unseren Leitartikel «Amerika, du hast es schlechter»).
35 Corona-Pressekonferenzen
Tragisch auch, weil er Blödsinniges und Unwahres verbreitet und deshalb verspottet wird. Er kann nicht anders. Denn alles dreht sich um ihn, und er dreht sich um sich selbst. Insgesamt 28 Stunden hat Trump vom 16. März bis zum vergangenen Wochenende bei 35 Corona-Pressekonferenzen geredet – 28 Stunden!
Seine Berater und viele Kongressrepublikaner ängstigte das Spektakel.
260’000 Worte flossen ihm dabei aus dem Mund. Doch statt den Amerikanern Mut zuzusprechen oder sie zu trösten und mit nützlichen Informationen zu versorgen, ging der Präsident auf Reporter los. Er pries wirkungslose und sogar gefährliche Mittel und Medikamente gegen das Virus. Und er wünschte den Feind einfach weg, damit die Wirtschaft – an Ostern, am 1. Mai, irgendwann möglichst bald! – wieder Fahrt aufnähme.
Seine Einschaltquoten gingen «durch die Decke», pries Trump seine TV-Auftritte. Seine Berater und viele Kongressrepublikaner hingegen ängstigte das Spektakel. Nachdem er sich mit seinem Bleichmittel-Rezept blamiert hatte, wollte der Präsident kürzertreten.
Stunden vor dem TV
Am Montag aber erschien er neuerlich am Podium. Mediale Abstinenz ist nichts für den TV-Showman, der die düsteren Corona-Tage im Weissen Haus mehr noch als sonst vor dem Fernseher verbringt. Manchmal sitzt er bereits um fünf Uhr morgens davor, um zu erfahren, wie die TV-Kabelkanäle sein Regieren in den Zeiten der neuen Pest beurteilen. Nicht sonderlich gut.
Die «New York Times» berichtete, oft betrete Trump sein Büro erst um die Mittagszeit, nach Stunden vor dem TV und «schlecht gelaunt». Die Story sei «von einem drittrangigen Reporter geschrieben worden», schlug der Protagonist zurück. Nichts daran sei wahr. Denn er sei der «am härtesten arbeitende Präsident in der Geschichte», twitterte der Präsident. Es stimmt nicht, wie eben so vieles, was Trump sagt und glaubt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Es ist einsamer geworden um den Präsidenten, sein innerer Zirkel kleiner, der telefonische Austausch mit Vertrauten kürzer. Nach den Fehlschlägen der vergangenen Wochen will er sich jetzt weniger dem Virus zuwenden und mehr der Wirtschaft. Er möchte sie vor dem Wahltermin im November wieder zum Laufen bringen.
Seine Getreuen halten unterdessen zu ihm, nichts hat sie bislang dazu bewogen, Donald Trump den Rücken zu kehren. Rund 42 Prozent der Amerikaner bleiben ihm durch Dick und Dünn treu. Für einen Wahlsieg im November reicht das nicht, aber aus 42 könnten ja 48 oder gar 50 Prozent werden. Sechs Monate bleiben Trump dazu.
Fehler gefunden?Jetzt melden.