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AfD hetzt gegen Nürnberger Christkind

Die 17-jährige Benigna Munsi wird Ende November das Christkind mimen und den Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnen. Bild: Keystone/Daniel Karmann

Benigna Munsi ist sehr gelassen. Das ist erwähnenswert, denn einerseits ist die 17-Jährige vor wenigen Tagen zum Nürnberger Christkind gewählt worden – eine Rolle, die sie nun zwei Jahre lang verkörpern wird. Dabei wird sie unter anderem den weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnen. Das wäre an sich schon aufregend genug, doch andererseits hat die Schülerin auch erlebt, wie unterschiedlich die Reaktionen auf ihre Wahl ausfallen können.

Speziell ein rassistischer Kommentar im Internet vom AfD-Kreisverband München-Land löste eine Woge der Empörung und der Solidarität aus. Unter einem Bild der 17-Jährigen stand dort: «Nürnberg hat ein neues Christkind. Eines Tages wird es uns wie den Indianern gehen.» Benigna Munsis Vater stammt aus Indien, die Hetze zielte auf ihr Aussehen ab.

«Mir geht's gut», sagt sie am Sonntag in Nürnberg, zusammen mit Oberbürgermeister Ulrich Maly und ihren Eltern gibt sie eine Pressekonferenz. Die Stadt hat eingeladen, das Medieninteresse war in den vergangenen Tagen einfach zu gross.

Benigna Munsi mit ihrem Vater Kausik (links), dem Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly und ihrer Mutter Teresia-Benedicta. Bild: Keystone/Nicolas Armer

Noch mehr Journalisten hätten sich damals nur für Eisbärbaby Flocke interessiert, sagt Maly. Also ein öffentlicher Auftritt, auch wenn es eigentlich nur um «ein paar bescheuerte Reaktionen» geht. Aber vielleicht sei die Zeit vorbei, dass man solche hässlichen Kommentare unkommentiert vorbeiziehen lassen könnte, sagt Maly. Die AfD löschte den Post nach einer Weile, die Kreisvorsitzende entschuldigte sich. Der Beitrag sei eigenmächtig gepostet worden und entspreche nicht den Werten der AfD.

Eigentlich, sagt Benigna Munsi, sei sie nicht besonders überrascht gewesen von der rassistischen Reaktion, damit habe sie gerechnet. Zu Herzen nimmt sie sich diese aber offenbar nicht, «die Freude ist nicht weniger geworden», sagt sie. Und dass sie sehr überrascht sei von den vielen positiven Rückmeldungen.

1600 Internetnutzer stellten sich in kürzester Zeit hinter sie. «Honeystorm, Candystorm, Lovestorm», all die Begriffe habe sie in den vergangenen Tagen erst gelernt. Über die hetzerischen Zeilen macht sie sich keine grossen Gedanken. «Es tut mir leid für die Menschen, die mit dieser Sicht durch die Welt gehen», sagt sie.

Die junge Frau wirkt aufgeräumt, sie lacht in die Runde, es ist gut nachvollziehbar, warum sich die 13-köpfige Jury am vergangenen Mittwoch einstimmig für die 17-Jährige entschieden hat.

Neben Benigna Munsi bewarben sich fünf andere Nürnbergerinnen um den Posten. Bild: Keystone/Daniel Karmann

Die Eltern sitzen neben ihr, Teresia-Benedicta Kleiner-Munsi hatte befürchtet, dass solche Reaktionen auf ihre Tochter zukommen könnten, sagt sie. Als die Kinder noch klein waren, habe sie öfter Sätze gehört, «die nicht so schön waren». Ernst nehmen dürfe man das nicht. «Unsere Kinder sind darauf vorbereitet», sagt sie.

Kausik Munsi dagegen fällt keine schlechte Erfahrung ein. Seit er zum Studium nach Deutschland kam, sei er stets mit offenen Armen empfangen worden. «Ich habe meine beste Zeit hier erlebt.» Er hat seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit, «ich fühle mich total deutsch». Die Solidarität mit seiner Tochter habe ihm eine Gänsehaut verursacht.

Auch Politiker sprangen ihr zur Seite, so etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der die Hetze als schäbig bezeichnete und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der in dieser «Fratze des Rassismus» die Geisteshaltung der AfD sah.

Nürnbergs Oberbürgermeister ist erfreut, dass viele Menschen im Internet Haltung gezeigt hätten. «Vielleicht ist das auch normal und wir haben es vergessen.» Nun hoffe er, dass sich die Aufregung legt und das Christkind zum Kerngeschäft zurückkehren könne: Der Christkindlesmarkt steht bevor, am 29. November wird ihn Benigna Munsi mit dem Prolog von der Empore der Frauenkirche eröffnen.

Munsis Vorgängerin bei der feierlichen Eröffnung des Nürnberger Christkindlesmarkt 2018. Foto: Keystone/Daniel Karmann

«Ich wollte Christkind werden, seit ich nicht mehr an das Christkind glaube», sagt sie. Sie kann sich an die Faszination als Dreijährige erinnern, als sie selbst dem Christkind zuhörte und auf einmal alle ganz leise waren. Und an die Freude der Altenheimbewohner, die sie beim Besuch eines Christkinds beobachtete, als sie mit 13 Jahren einen Adventsnachmittag mit dem Chor ihrer Kirchengemeinde begleitete. Zum weiss-goldenen Kleid wird Benigna Munsi – wie alle Christkinder – eine blonde Perücke tragen. Dabei soll es bleiben.

«Ich würde an der Figur nicht rummäkeln wollen», sagt der Oberbürgermeister, zu fest ist das Christkind in Nürnberg verankert. Seit 1969 wird es gewählt, vorher waren es Schauspielerinnen. Eine junge Frau soll es sein, wohnhaft in Nürnberg, mindestens 1,60 Meter gross und schwindelfrei. Ausserdem herzlich, offen und belastbar. Von Haarfarbe und Stammbaum steht da nichts.