Pandemie in den USAEs sterben mehr Amerikaner an Corona als im Zweiten Weltkrieg
In den USA streiten sie immer noch darüber, wie gefährlich das Virus ist. Kaum etwas zeigt die unterschiedlichen Sichtweisen so deutlich wie das Verhalten von Donald Trump und Joe Biden.
Am Mittwoch gab es einen Rekord in den USA, wenn auch keinen, auf den das Land stolz sein könnte: An einem einzigen Tag starben 3448 Menschen an Covid-19. Der 16. Dezember ist damit der bisher opferreichste Tag der Pandemie. Da in den USA jeden Tag immer noch mehr als 200’000 Neuinfektionen registriert werden und in vielen Gegenden des Landes die Spitäler ihre Kapazitätsgrenze erreicht haben, gibt es keinen Grund, anzunehmen, dass die tägliche Todesbilanz nicht noch weiter steigen könnte.
Mehr als 3400 Tote an einem Tag – das ist eine brutale Zahl. Es gibt nicht viele Ereignisse in der amerikanischen Geschichte, bei denen an einem Tag so viele Menschen gestorben sind. Der Hurrikan, der am 8. September 1900 die texanische Stadt Galveston zertrümmerte, tötete zwischen 8000 und 12’000 Menschen. In der Schlacht am Antietam im Bürgerkrieg fielen am 17. September 1862 etwa 3700 Soldaten der Nord- und Südstaaten. An dritter Stelle folgt schon der 16. Dezember 2020 mit 3400 toten Amerikanern – mehr als beim Überfall der Japaner auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941.
Werte steigen und steigen
Und im Moment gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Pandemie in den USA in absehbarer Zeit nennenswert abebbt. Im Gegenteil. Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen an einem Tag lag am Mittwoch bei 233’000, der 7-Tage-Durchschnitt bei den Neuinfektionen ist in den vergangenen Wochen auf etwa 211’000 geklettert – beide Werte lagen während der gesamten Pandemie noch nie höher.
Es gilt unter US-Gesundheitsexperten daher als sehr wahrscheinlich, dass das Coronavirus in den USA bis zum Frühjahr 2021 deutlich mehr als 400’000 Menschen töten wird. Die Zahl der Amerikaner, die wegen der Pandemie binnen eines Jahres ums Leben gekommen sind, wäre damit höher als die Zahl der US-Soldaten, die in den vier Jahren des Zweiten Weltkriegs gefallen sind.
Trump hat das Virus nie besonders ernst genommen
Trotzdem führen die Amerikaner immer noch eine hoch polarisierte politische Debatte darüber, wie gross die Bedrohung durch das Virus eigentlich ist. Und kaum etwas zeigt die Unterschiede in den Sichtweisen auf die Pandemie so deutlich wie das Verhalten von Donald Trump und Joe Biden.
Trump, der scheidende Präsident, hat das Virus noch nie besonders ernst genommen. Vor einigen Tagen wurde zudem bekannt, dass es in seiner Regierung Mitarbeiter gab, die darauf drängten, das Virus möglichst frei in der Bevölkerung zirkulieren zu lassen, um im Land eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen.
Dieses Ziel wurde zwar nie offiziell und öffentlich zur Strategie erhoben. Aber Trump verhielt sich in der Praxis durchaus so. Nachdem er, seine Frau und sein jüngster Sohn im Herbst ihre Corona-Infektionen recht gut überstanden hatten, stellte er sich vor das Weisse Haus, nahm demonstrativ seinen Mundschutz ab und riet den Amerikanern, «keine Angst» vor dem Virus zu haben. Bei den vielen Weihnachtsempfängen und -feiern, die derzeit im Weissen Haus stattfinden, wird kaum auf Masken oder Abstand geachtet.
Biden, der künftige Präsident, benimmt sich völlig anders. Er trägt konsequent eine Maske und fordert die Amerikaner wieder auf, das auch zu tun. Eins der Adjektive, dass er und seine Berater derzeit besonders oft verwenden, ist «dunkel». Sie benutzen es, um zu beschreiben, wie der Pandemie-Winter aussehen wird, der vor den Amerikanern liegt.
Biden und Pence lassen sich impfen
Bezeichnend ist auch, dass jetzt, da in den USA die Impfungen gegen Covid-19 begonnen haben, Trump für die Bürger wieder kein Vorbild ist. Ein grosser Teil der Amerikaner sieht die Impfung gemäss Umfragen skeptisch. Doch statt Trump will sich an diesem Freitag Mike Pence vor laufenden Kameras impfen lassen – der Vizepräsident, nicht der Präsident. Biden will es Pence nächste Woche gleichtun.
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