AboInterview zu Frauen und Fitness«Es muss nicht immer der Mann sein, der das Sofa herumschiebt»
Autorin Danielle Friedman erklärt, welche Vorurteile sportliche Frauen überwinden mussten, wie ihnen Heim-Videos halfen und warum der Sport-BH viel mehr ist als ein Textil.

Beim Lesen Ihres Buchs über die Kultur des Frauensports erstaunte: Der Sport-BH wurde erst 1977 kreiert.
Er kam 1978 auf den Markt und ist damit Zeuge, wie lange es dauerte, bis der Frauensport durchstartete. Der BH wurde von Läuferinnen entwickelt, die sich mehr Halt wünschten. Weil davor nur relativ wenige Frauen trainierten, hatte die Industrie kein Interesse an der Entwicklung eines Sport-BHs.
Welche anderen Textil-Innovationen erleichterten Frauen, sich angemessen sportlich zu bewegen?
Der Sport-BH ist schon der grosse Wurf, darum sind Vergleiche schwierig. Natürlich war auch der Leotard einflussreich.
Dieser Einteiler aus Elastan?
Ja. Er war kontrovers, weil Feministinnen fanden, Frauen würden in diesen körperengen Dresses sexualisiert werden.

Aber?
Er kann durchaus als Befreiung gesehen werden, weil davor lange vorgegeben war, wie sich Frauen für den Sport kleiden mussten beziehungsweise durften – oft gar noch mit Gürtel. Mittlerweile gibt es für fast alle Körpergrössen entsprechende Kleider, von eng anliegend bis weit. Der Leotard steht für diese Entwicklung hin zu Kleidern, in denen sich Frauen wohlfühlen …
… und wie vielfältig Frauenkörper sind?
Ja. Noch in den 1980er-Jahren mussten Frauenkörper durchtrainiert und dünn sein. Mit «Körper aus Stahl» wurden darum viele Fitnessvideos aus jener Zeit übertitelt. Schauen Sie sich mal Jane Fonda an, die Fitness-Ikone jener Zeit. Sie gestand später übrigens, an Essstörungen gelitten zu haben.
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Als Gegenbewegung folgte der Aufstieg von Yoga.
In den 1990er-Jahren hob Yoga so richtig ab und führte in Teilen zur Abkehr von diesem Stahlkörper-Image. Zudem kamen Boutique-Studios auf, in denen in kleinen Gruppen trainiert werden konnte.
Wie wird Fitness heute gesehen?
Ich beantworte die Frage, wie ich mir wünsche, dass spätere Generationen unsere Zeit beschreiben werden: als Phase, in der Bewegung auch unserer psychischen Gesundheit diente und wir erkannten, dass fitte Körper ganz unterschiedlich aussehen, es also nicht die eine, optimale Form gibt, der ganz viele Menschen nacheifern. Bewegung soll nicht bloss als körperliche Transformation betrachtet werden, sondern als Quelle für Wohlbefinden und Freude.
«Wir bewegen uns regelmässig, wenn wir eine klare Belohnung vor Augen haben.»
Welches sind die grössten Gefahrenquellen dabei?
Die sozialen Medien, primär wenn sie von Fitnessprofis und Influencern dafür genutzt werden, um Bikini-Bodys oder andere eindimensionale Körpertypen zu hypen. Solche Posts oder Vorbilder können gerade für junge Menschen toxisch sein. Handkehrum kann man mit sozialen Medien auch darstellen, wie vielfältig die Fitnesswelt mittlerweile ist – Stichwort noch einmal Körpervielfalt.
Und doch funktionieren wir Menschen simpel: Auch damit wir wieder besser in unsere Lieblingsjeans passen, treiben wir Sport.
Ich nehme mich da nicht aus, obschon ich mich nun Jahre mit dem Thema befasse. Zudem ist belegt: Wir bewegen uns regelmässig, wenn wir eine klare Belohnung vor Augen haben. Dass wir wieder bequem in unsere Lieblingsjeans passen, kann eine solche Belohnung sein. Aber ich plädiere schon dafür, umfassender zu denken: Bewegung hilft unserer körperlichen wie geistigen Gesundheit und kann gar Krankheiten vorbeugen. Klar ist jedoch auch: Solche längerfristigen Ziele entfalten selten die gleiche Dringlichkeit, sich zu bewegen.

Worüber Sie im Buch auch schreiben: Schwitzen galt lange als unfeminin. Hat sich das geändert?
Enorm. Fitness ist auch für Frauen mittlerweile eine Auszeichnung und wird in den sozialen Medien breit abgebildet. Denken Sie an all die Frauen, die Crossfit betreiben. Solche Bilder wären vor 50 Jahren als radikal empfunden worden. In einem Bereich aber sind die Vorurteile noch immer stark.
In welchem?
Bei Frauen, die Bodybuilding betreiben. Da werden Frauen in unserer Gesellschaft rasch als «wie Männer» beschrieben. Überhaupt die Idee, dass Frauen in einer Partnerschaft schmaler als Männer sein sollten, hält sich weiterhin.
Oder dass Mädchen Rosa und Buben Blau tragen sollten.
Die Dinge wandeln sich, einfach langsam, wir sind manchmal in diesem Denken gefangen. Ich nehme mich nicht aus. Als ich meinen Sohn mit zwei Jahren zu einer Sportstunde anmeldete, dachte ich, es würden nur Buben dabei sein. Es kamen fünf Mädchen und mein Sohn. Ich machte mich über mich selbst lustig.
Wie hat Sport dazu beigetragen, dass sich Frauen selbstsicherer fühlen?
Das physische Selbstvertrauen übertrug sich auf andere Gebiete. Es geht nicht um die eine, grosse Revolution. Aber viele Frauen haben mittels Sport ihr Leben quasi in die Hand genommen – und wenn viele Frauen sich verändern, verändert sich die Welt. Das können ganz kleine Dinge sein.
Ein Beispiel bitte.
Es muss nicht immer der Mann sein, der das Sofa herumschiebt. Eine Frau kann das oft genauso gut. Fitte Frauen haben sich diesem normalen Alltag schrittweise angenommen, der meist männergeprägt war. Der Sport hat Frauen also darin unabhängig gemacht.
Was können Männer von Ihrem Buch lernen?
Ich bin vorsichtig mit Generalisieren. Aber was die Geschichte gezeigt hat: dass Männer die körperlichen Fähigkeiten und das Potenzial von Frauen sehr lange massiv unterschätzt haben. Und dass viele von ihnen noch immer glauben, Frauen würden sich primär bewegen, weil sie besser aussehen und abnehmen möchten. Dabei fühlen sie sich einfach gut, wenn sie Sport treiben.

Worüber staunten Sie am meisten bei Ihrer Recherche?
Wie stark Frauensport eingeschränkt wurde. Amerika hat zwar die Fitnesskultur globalisiert, aber noch vor 70 Jahren wurden Frauen viele Möglichkeiten verwehrt, Sport zu treiben. In einem relativ kurzen Zeitraum ist darum viel passiert …
… was jüngeren Frauen kaum bewusst sein dürfte.
Zugang zu Sport ist für Frauen mittlerweile normal. Das war früher anders. Dazu hatten die Weltkriege oder strenge soziale Normen beigetragen. Bewegung galt als männlich, Frauen hingegen hatten weich und unterwürfig zu sein, um dem gängigen Rollenmodell zu entsprechen. Dass sich Frauen in jener Zeit bewegen und gar schwitzen sollten, fand man ziemlich absurd.
Wann begann sich diese Denkweise zu ändern?
Ende der 1950er-Jahre – unter anderem mit dem Aufkommen des Fernsehens und ersten Fitness-Pionierinnen wie Bonnie Prudden. Sie trat mit einer eigenen Fitness-Show im TV auf, galt aber als extrem, weil sie Bewegung für Frauen oder Kinder propagierte. Sie sagte: Bewegung ist auch für Frauen angemessen – und nützlich.
Galten alle Sportformen als angebracht?
Nein, in den Anfängen hielt man viele für Frauen für unbrauchbar, bis zur Behauptung, der Uterus könnte ansonsten herausfallen – oder die absurdeste: hartes Training würde Frauen zu Männern machen. In den 1960ern kämpften die Pionierinnen also vor allem auch gegen solche Vorurteile an.

Wann folgte der nächste grosse Schritt?
Ende der 1960er-Jahre, als erste wissenschaftliche Arbeiten dokumentierten: Bewegung und Sport ist für Frauen sicher und nützlich. Auch die Frauenbewegung jener Zeit half mit – und der erste Laufboom in den 1970ern, gefolgt von der Aerobic-Welle. Die Fitnessindustrie hob ab, auch dank der Heimvideos von Jane Fonda ab 1982. Fonda hat darum übrigens ihren Anteil, dass sich Videorekorder so schnell durchsetzten. Und die Gyms begannen zu florieren, auch als Treffpunkte für Gleichgesinnte.
Worin bestand – neben der technischen Innovation – die Magie von Fondas Videos?
Frauen konnten sich daheim und damit privat bewegen, waren zu keiner Sekunde ausgestellt. Zudem konnten sie dann trainieren, wenn es in ihren Tagesablauf passte. Das war neu und befreiend. Diese Aspekte machen das Heimtraining bis heute so attraktiv.
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