Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Protestaktion in Washington
Es kamen mehr Polizisten als Demonstranten

Wollten sich nicht wieder überrumpeln lassen: Die Polizei markierte vor dem Capitol massiv Präsenz. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk


Zur Protestaktion am Samstag vor dem Parlamentsgebäude in Washington hatte Matt Braynard gerufen, ein ehemaliger Mitarbeiter der Trump-Kampagne. Mehrere Hundert Sympathisanten wollte seine Organisation «Look Ahead America» vor das Capitol holen, um gegen die angeblich widerrechtliche Behandlung der Demonstranten vom 6. Januar zu protestieren. Anhänger Trumps hatten damals das Parlamentsgebäude gestürmt, um Joe Bidens Bestätigung im Präsidentenamt zu verhindern. Hunderte Personen wurden verletzt, vier starben.

Entsprechend gross war die Nervosität diesmal. Gemessen daran, fiel die Rally aber lächerlich klein aus. Maximal 450 Personen zählte die Polizei auf dem Protestgelände, nur eine Minderheit gehörte zu den Demonstranten. Zwischen ihnen waren derart viele Reporterinnen, Kameramänner, Fotografinnen und Moderatoren unterwegs, dass sie Schlange standen vor den wenigen Protestierenden.

Werden rechte Demonstranten härter angefasst?

Den Trump-Anhängern – darunter einige ältere Paare und selbst Familien – stellten sich jenseits einer doppelten Gittersperre Hundertschaften von Polizisten gegenüber, einige in voller Schutzmontur, andere auf dem Velo, am Himmel kreisten Helikopter und Drohnen, eine Kolonne von Räumungsfahrzeugen der Stadt sicherte die Strasse, während im Hintergrund Armeefahrzeuge und die Nationalgarde in Bereitschaft standen.

Das Missverhältnis zwischen Sicherheitskräften, Medienleuten und Schaulustigen einerseits und Demonstranten andererseits fiel nun so krass aus, dass Trumps Anhänger die Bilder als Geschenk willkommen hiessen: Sie waren ja gekommen, um den Sicherheitsapparat und die angeblich links-ideologisch verbrämten Medien anzuklagen. Die massive Polizeipräsenz sei ein Beleg dafür, dass die freie Rede eingeschränkt werde, sagte Scott Beard aus dem nahen Maryland. Die Medien hätten mit Falschinformationen dabei geholfen, sagte der 50-Jährige mit Hut und Rucksack von der Armee. Den Einwand, die Warnung vor möglichen Gewalttaten sei aus dem Heimatschutzministerium gekommen, liess er nicht gelten.

Selbst der Ex-Präsident distanzierte sich von der Demo: «Trump ist vorbei» steht auf einem Plakat der Gegendemonstranten in Washington. 


Auch Paula Brassfield aus Virginia schimpfte über die Medien. Die 74-Jährige ignorierte den Rat ihrer Freunde, nicht nach Washington zu reisen: «Es ist wichtig, zu protestieren.» Videos aus ihrer Kirche hätten sie aufgerüttelt: «Die Leute haben keine traditionellen Familienwerte mehr, sie kriegen keine Kinder und besitzen stattdessen nur noch Hunde.» Nun demonstriere sie, damit die USA nicht dem Kommunismus verfielen. Der Prozess sei in vollem Gang: Rechte Demonstranten würden von der Justiz viel härter angefasst als linke Aktivisten. Diese Behauptung bildete am Samstag das Leitmotiv der Protestaktion, obwohl ihr die Fakten widersprechen, wie die «Washington Post» nachgerechnet hat.

Mehr als 600 Personen wurden nach dem 6. Januar angeklagt, 78 von ihnen sitzen noch im Gefängnis, den meisten wird Gewalt gegen Polizisten zur Last gelegt. Die Inhaftierungsquote beträgt noch 13 Prozent; üblicherweise liegt sie bei vergleichbaren Delikten mit 75 Prozent deutlich höher. Die Haftbedingungen sind harsch. Doch während es für Afroamerikaner und Latinos zum Alltag gehört, die volle Härte des Gesetzes zu spüren zu bekommen, stellt das für Gruppen von mehrheitlich Weissen die Ausnahme dar.

Anführer von rechten Gruppen wie den «Proud Boys» distanzierten sich von dem Anlass, auch Donald Trump sprach von einer «Falle».

Darum hatte die «Black Lives Matter»-Aktivistin Nadine Seiler kein Mitleid mit den Demonstranten, denen sie sich am Samstag mit Plakat und Megafon entgegenstellte. Auch sie fand, die Polizei habe ihr Versagen vom 6. Januar diesmal überkompensiert. Doch sei das verständlich: «Diese Leute wollten den Vizepräsidenten hängen», rief die 55-Jährige. Auch Sicherheitsexperten machten geltend, die Polizei habe nicht überreagiert, sondern mit guter Vorbereitung verhindert, dass gewaltbereite Demonstranten anreisten. Anders als am 6. Januar distanzierten sich diesmal Anführer von rechten Gruppen wie den «Proud Boys» von dem Anlass, auch Donald Trump sprach von einer «Falle».

Schliesslich wurden lediglich vier Personen vor dem Capitol angehalten, wobei eine Handfeuerwaffe sowie ein Messer zum Vorschein kamen. Einige Male mussten sich die Ordnungshüter zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten stellen. Eine vorbehaltlos positive Bilanz zog jedoch nur der Organisator der Demonstration: Auf frühere Veranstaltungen hatte Matt Braynard stets vergeblich aufmerksam gemacht. Diesmal aber hat er es in alle nationalen und viele internationale Medien geschafft. Zu MSNBC sagte er: «Es geht nicht um die Teilnehmerzahlen, sondern darum, meine Botschaft zu verbreiten.» Die Gelegenheit dazu hat er diesmal erhalten.