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Feuer in der Arktis
Es ist noch schlimmer als im letzten Jahr

Klimaforscher sind besorgt über die  Waldbrände in der Arktis: Ein Satellitenbild vom 11. Juli letzten Jahres zeigt eine Übersicht über verbrannte Gebiete in Alaska.
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Es hat sich bereits in den Winter- und Frühlingsmonaten abgezeichnet: Die sibirische Arktis leidet auch dieses Jahr unter ungewöhnlichen Wetterbedingungen. Der europäische Umweltüberwachungsdienst Copernicus meldet heute zahlreiche verheerende Flächenbrände im nördlichen Polarkreis.

Die Intensität sei noch schlimmer als im letzten Jahr. «2019 war ein aussergewöhnlicher, ja sogar Rekordsommer für Feuer im nördlichen Polarkreis», sagt Mark Parrington, Chefwissenschaftler bei Copernicus. Das zeigt eine Datenbank, die bis ins Jahr 2003 zurückreicht.

«Zwar macht eine Schwalbe noch keinen Sommer und zwei von der Norm abweichende Jahre noch keinen Klimawandel, jedoch passen leider all die Beobachtungen aus dieser Region zu dem, was wir erwarten.»

Andreas Fischlin, Vizevorsteher im Weltklimarat IPCC

Feuer gehört grundsätzlich zur Auffrischung der Natur. Nach Bränden wächst stets eine neue junge Vegetation nach. «Zwar macht eine Schwalbe noch keinen Sommer und zwei von der Norm abweichende Jahre noch keinen Klimawandel, jedoch passen leider all die Beobachtungen aus dieser Region zu dem, was wir erwarten», sagt Andreas Fischlin, Vizevorsteher im Weltklimarat IPCC. Die Daten würden eine eindeutige Sprache sprechen.

Nirgendwo erwärmt sich die Erdoberfläche so stark wie in den arktischen Gebieten. Hinzu kommt, dass durch den Rückgang der Eisflächen mehr Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche gespeichert wird, was auch zu einem Temperaturanstieg führt. Die aktuelle globale Juni-Durchschnittstemperatur ist gemäss Copernicus vergleichbar mit den weltweiten Rekordwerten im Juni 2019. Dabei sind vor allem in der sibirischen Arktis extrem hohe Temperaturen aufgetreten.

10 Grad über der Norm

Die Wissenschaftler haben in manchen Regionen durchschnittliche Temperaturen gemessen, die bis zu 10 Grad Celsius über dem normalen Junidurchschnitt lagen. Insgesamt, über das gesamte Gebiet der sibirischen Arktis gemittelt, war es fünf Grad heisser als die Norm.

Zudem wurde im östlichen Sibirien gemäss Copernicus am 20. Juni mit 37 Grad der höchste Stundentemperaturwert ermittelt. Eine solche Spitze wurde in der Arktis noch nie gemessen. «Sibirien und der nördliche Polarkreis weisen generell höhere Schwankungen von Jahr zu Jahr auf, und warme Junimonate sind nicht unbedingt etwas Ungewöhnliches. Dass in Westsibirien jedoch im Winter und Frühling für einen so langen Zeitraum überdurchschnittliche Temperaturen herrschten, gibt zu denken», sagt Carlo Buontempo, Direktor des Copernicus-Service für Klimawandel.

Natürliche Schwankungen?

«Fallen dann Niederschlagsarmut und hohe Temperaturen zusammen, so trocknen Oberböden und die Vegetation dermassen aus, dass ein Blitzschlag genügt, und Reisig, Laub und Nadeln am Boden beginnen wie Zunder zu brennen», sagt Fischlin. Da im hohen Norden die Wälder oft unerschlossen seien, würden solche Brände oft zu spät erkannt, um noch etwas zu unternehmen. Sie werden dann oft erst entdeckt, wenn zum Beispiel Satellitenbilder ausgewertet werden.

Die hohen Temperaturen in diesen hohen Breitengraden sind auch für Ulf Büntgen unerwartet hoch. Der Professor im Departement für Geografie an der britischen Universität Cambridge und Wissenschaftler am Forschungsinstitut WSL in Birmensdorf möchte aber noch nicht einen direkten Bezug zu den Waldbränden herstellen. «Für russische Forscher sind die Feuer weniger ein Thema als bei uns, sie gehören einfach zur Waldverjüngung.» Und die Datenreihen aus den Satellitenmessungen seien noch zu kurz, um einen wirklichen Trend bei den Waldbränden zu erkennen. Nur die Temperatur werde seit langer Zeit verlässlich gemessen.

Büntgen beschäftigt sich seit langem mit Jahrringforschung, auch in der sibirischen Arktis. Die Prozesse in dieser Region der Welt seien nicht vergleichbar mit Europa. «Hohe Temperaturen und wenig Niederschlag müssen nicht zu einer Bodentrockenheit führen», sagt er. Im Gegenteil. Dann taue der Permafrost, und die Waldböden würden eher vernässt. «Man muss also vorsichtig sein, wie man die Daten interpretiert», sagt Büntgen.

Über 2000 Hektaren Wald brannten: Aufgenommen am 2. Juli dieses Jahres, sieht man hier einen Brand in Jakutien, das sich im nordöstlichen Russland befindet.

Hinzu kommt allerdings, dass Russland nur über ein grobmaschiges Messnetz verfügt. Aus Sibirien gibt es deshalb nur ungenügende Daten. Zudem weiss laut Büntgen niemand, wie zuverlässig die russischen Daten tatsächlich sind. Das sei das grösste Problem, um verlässliche Aussagen zum Klimawandel zu machen. Wälder speichern das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre und spielen deshalb als sogenannte Senke eine Schlüsselrolle beim Klimawandel. Werden sie durch Feuer zerstört, wird CO2 wieder frei.

Seit Beginn der Feuersaison haben Waldbrände innerhalb des nördlichen Polarkreises rund 58 Megatonnen CO2 produziert. Das ist so viel, wie Finnland in einem Jahr ausstösst, und der höchste Wert in der 18-jährigen Datenreihe der Copernicus-Messungen. «Wir wissen nicht genau, wie lange in Sibirien CO2 in den Wäldern gespeichert bleibt, und wir wissen auch nicht exakt, wie lange es geht, bis ein Jungwald wieder zu einer Senke wird», sagt Büntgen.

So sind auch die Schätzungen, wie viel zusätzliches CO2 die Wildfeuer global jedes Jahr produzieren, nur grob. Ein Monitoring wie die Copernicus-Messungen sei für die Sensibilisierung dieses Themas wichtig, so Büntgen. Denn nehmen die Waldbrände in den nächsten Jahrzehnten zu, dann würde das die Anstrengungen im Klimaschutz massiv bremsen.

Im schlechtesten Fall ist die Freisetzung von CO2 durch Waldbrände gleich gross wie die Bindung. Dann würde die Pufferwirkung der Wälder für die durch den Menschen verursachten Emissionen vollends fehlen. «Dann müssen wir durch Klimaschutzmassnahmen all die Emissionen aus den Bränden auch noch kompensieren», sagt Andreas Fischlin vom Weltklimarat IPCC.