Kommentar zu UngarnEndlich greift die EU-Kommission durch gegen die destruktive Orban-Regierung
Budapest nimmt gerne Geld von der EU, aber attackiert alles, was eine Demokratie ausmacht. Nun hat die EU-Kommission genug. Daraus lässt sich dreierlei für die Zukunft lernen.
Es ist noch nicht entschieden, wer den Machtkampf am Ende gewinnt – die EU-Kommission oder Viktor Orban. Die Brüsseler Behörde will Ungarn Zuschüsse in Höhe von mehreren Milliarden Euro vorenthalten, weil der Mann in Budapest sich eher wie ein nepotistischer Autokrat benimmt als wie ein Regierungschef, der ein Mitgliedsland der Europäischen Union führt.
Orban kann es ziemlich egal sein, was die EU-Kommission von ihm und seinem Gebaren hält. Ob ihm das Geld tatsächlich gestrichen wird, entscheiden die Regierungen der EU. Sollte Ungarn unter den Mitgliedsstaaten also eine Sperrminderheit zusammenspannen können, was nicht ausgeschlossen ist, dann fliessen die Milliarden. Wer der Sieger ist, weiss man wohl in einigen Wochen.
Orban attackiert alles, was eine Demokratie ausmacht: den Rechtsstaat, die unabhängige Justiz, die freien Medien, die politischen Wettbewerber.
Das zähe Ringen zwischen Brüssel und Budapest lässt allerdings auch jetzt schon einige interessante Schlüsse zu. Erstens: Die EU-Kommission hat – unter Leitung ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen – endlich den Mut gefunden, Orban zu zeigen, wann es genug ist. Seit Jahren behandelt Ungarns Regierungschef die Union wie einen lästigen Bankangestellten, der ihm das Geld rüberschieben, aber gefälligst nicht dreinreden soll, wie er es ausgibt. Doch es geht die EU natürlich etwas an, wenn ihre Zuschüsse, die die Steuerzahler anderer Länder bezahlen, über Schiebereien auf den Konten von Orbans Verwandten und Freunden landen.
Und erst recht geht es die EU etwas an, wenn Orban in seinem Land alles attackiert und demontiert, was eine moderne europäische Demokratie ausmacht: den Rechtsstaat, die unabhängige Justiz, die freien Medien, die politischen Wettbewerber. Die EU-Kommission kann daran wenig ändern. Aber sie muss Orbans Treiben nicht auch noch mit Fördermilliarden finanzieren.
Entscheid liegt bei den EU-Regierungen
Die zweite Schlussfolgerung lautet: Die Entscheidung darüber, wie Europa mit jenen Ländern umgehen soll, die gern das Geld aus Brüssel nehmen, die sich aber nicht so gern an die demokratischen Spielregeln halten – neben Ungarn gehört vor allem Polen dazu –, liegt jetzt wieder dort, wo sie hingehört: bei den EU-Regierungen. Die Kommission ist eine Verwaltungsbehörde, sie kann lediglich empfehlen, Ungarn das Geld zu kürzen. Aber beschliessen müssen das die Mitgliedsstaaten der Union.
Das ist richtig. Viktor Orban ist ein Kollege der 26 anderen europäischen Staats- und Regierungschefs. Ob und wie hart er für seine ständigen Regelbrüche bestraft werden soll, ist eine politische Entscheidung. Sie muss von diesen 26 Politikern getroffen werden, nicht von EU-Bürokraten.
Wie immer diese Entscheidung in den kommenden Wochen ausfällt, klar ist dann aber auch, wer die Verantwortung trägt: nicht irgendwie «Europa», nicht ein anonymes «Brüssel». Sondern die Regierungen einzelner Länder, die auf die eine oder andere Art abstimmen.
Wenn der Schalter schliesst, sieht man, dass der Laden in Wahrheit pleite ist.
All das führt zu einem dritten Schluss: Die verbiesterte, quengelnde, provinzielle EU-Feindlichkeit, mit der die polnische und die ungarische Regierung daheim ihre Wahlkämpfe gewinnen, beraubt sie in Brüssel ihres Einflusses. Sie können zwar Entscheidungen verzögern, stoppen oder von den anderen EU-Ländern Zugeständnisse erzwingen. Aber sie haben kaum Gestaltungsmacht – weil man ihnen misstraut, sie nicht ernst nimmt oder gar als «Verräter» und «Erpresser» abtut.
Vielleicht ist das am Ende die wichtigste Lehre aus dem Streit zwischen Brüssel und Budapest: Es gibt auch in der Politik Geschäftsmodelle, die gut funktionieren, solange die Bank Kredit gibt. Aber wenn der Schalter schliesst, sieht man, dass der Laden in Wahrheit pleite ist.
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