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Meinung

Leitartikel zum Verkehr 
Es gibt Lösungen gegen endlose Staus und überfüllte Züge

Kilometerlanger Stau als Ärgernis: Osterverkehr auf der A2 Richtung Süden. 
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20 Kilometer Stau am Gotthard.

Dreieinhalb Stunden Wartezeit vor dem Nordportal.

Verkehrsüberlastung zwischen Erstfeld und Göschenen – Zeitverlust von zwei Stunden.

Solche und ähnliche Schlagzeilen wiederholen sich in immer höherer Kadenz. Noch nie staute sich der Verkehr am Gotthard so stark wie im laufenden Jahr. Zum Ärger der betroffenen Wochenendausflügler – und sehr zum Ärger der lokalen Urner Bevölkerung. Denn die jährlichen Staustunden am Gotthard haben sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Das führt zu deutlich mehr Ausweichverkehr auf den Urner Kantonsstrassen. 

Die Frage, wie der Verkehr besser gesteuert werden könnte, stellt sich daher mit neuer Dringlichkeit. Doch die Optionen sind stark begrenzt: Ein Kapazitätsausbau, wie ihn lauter werdende Stimmen jetzt fordern, ist am Gotthard nicht einfach möglich. Das Stimmvolk hat der zweiten Gotthardröhre 2016 unter der Bedingung zugestimmt, dass die vier Spuren künftig nicht gleichzeitig genutzt werden. Zudem gilt der Verfassungsgrundsatz, wonach die Transitstrassen durch die Alpen nicht ausgebaut werden dürfen. 

Bei den alpenquerenden Tunneln – Brenner, Fréjus, Montblanc – müssen überall fixe Gebühren bezahlt werden. 

Auch ein Slot-System, wie es der Kanton Uri nun per Standesinitiative vorschlägt, lässt sich schwerlich umsetzen. Im Internet vorab gebuchte Zeitfenster können bei längeren Anfahrtswegen und wegen der unberechenbaren Gesamtverkehrslage nicht zuverlässig eingehalten werden. Das Chaos ist somit vorprogrammiert. 

Im Raum stehen zudem diskriminierende Forderungen aus dem Tessin, die von Brüssel kaum akzeptiert und ein bedenkliches Präjudiz auf den Schweizer Strassen schaffen würden: eine Vorzugsspur für Urner und Tessiner sowie eine Maut ausschliesslich für ausländische Automobilisten.

Vielversprechend ist dagegen ein Vorschlag aus der politischen Mitte. Mit einer Tunnelgebühr wollen Vertreterinnen und Vertreter von GLP, Mitte und FDP die Verkehrsspitzen an Alpenübergängen wie dem Gotthard und dem San Bernardino glätten. Dynamische Preise würden die Fahrt durch die Tunnel an Ostern oder Pfingsten teurer machen als an Wochenenden im November oder Januar. Je höher die Nachfrage, desto teurer die Durchfahrt. Das würde für die Autofahrenden Anreize setzen, zu weniger begehrten Zeiten zu reisen – und die Maut nicht zur plumpen Geldmaschine machen. 

Damit würde die Schweiz umsetzen, was die Nachbarländer bereits anwenden: Bei den alpenquerenden Tunneln – Brenner, Fréjus, Montblanc – müssen überall fixe Gebühren bezahlt werden. 

Auch die oft gelobten Züge sind an solchen Wochenenden zum Bersten voll. 

Doch eine flexible Maut wird nur dann funktionieren, wenn erstens der Preis zu stark nachgefragten Zeiten ausreichend hoch ist. Die bislang diskutierten 20 Franken pro Weg reichen nicht, um zu Spitzenzeiten eine lenkende Wirkung zu entfalten. 

Zweitens braucht es flankierende Massnahmen, um den Umgehungsverkehr einzudämmen und die Schienenkapazitäten rund um die Feiertage zu erhöhen. Denn auch die oft gelobten Züge sind an solchen Wochenenden zum Bersten voll und machen das Reisen mit diesem Verkehrsmittel unattraktiv.

Und der dritte und wichtigste Punkt: Die dynamische Gotthard-Maut sollte als Labor konzipiert werden, um das Konzept danach nicht nur auf andere notorisch überlastete Tunnel wie Gubrist oder Baregg auszuweiten, sondern auf das gesamte Strassen- und Schienennetz. 

Ein Mobility-Pricing mit zeitlich und örtlich variablen Preisen für alle Verkehrsträger würde einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Verkehrsinfrastruktur leisten. Voraussetzung wäre, dass die dynamischen Preise nicht nur als Roadpricing für die Strasse angewendet würden, wie es Links-Grün lieb wäre, sondern auch für die Züge, die zu Pendelzeiten zuverlässig überfüllt sind. Autofahrende dürfen gegenüber Zugfahrenden nicht benachteiligt werden. 

Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass die dynamische Bepreisung eine deutlich spürbare Auswirkung hat: London, Stockholm oder Oslo etwa konnten damit das Verkehrsaufkommen in den Innenstädten um 15 bis 21 Prozent reduzieren. 

Das langsame Tempo und die zaghafte Übungsanlage lassen kaum auf einen grossen Wurf hoffen. 

Auch in der Schweiz denkt die Politik seit Jahren über das Thema nach – bislang allerdings wenig entschlossen und visionär. Zurzeit werden fünf Machbarkeitsstudien erarbeitet; Pilotprojekte sollen folgen. Interessiert zeigen sich etwa die Kantone Thurgau und Genf oder die Stadt Biel. Doch das langsame Tempo und die zaghafte Übungsanlage lassen kaum auf einen grossen Wurf hoffen. 

Dabei hätte die Schweiz das dringend nötig, denn das Bevölkerungswachstum schlägt sich in der Überlastung der Verkehrsinfrastruktur nieder. Rekordhohe 40’000 Stunden staute sich der Verkehr letztes Jahr auf den Autobahnen. Und bis 2040 wird der Personenverkehr laut Prognosen des Bundes insgesamt um 25 Prozent wachsen, der Güterverkehr um 37 Prozent. Über 450 Kilometer des Autobahnnetzes werden bei gleichbleibenden Infrastrukturen regelmässig überlastet sein. 

Eine dynamische Bepreisung würde helfen, diesem Kollaps vorzubeugen und den Verkehr besser zu steuern. Aber deren Mehrheitsfähigkeit und Umsetzung dürfte Jahre dauern. Kurzfristig ist es daher unumgänglich, die steigenden Verkehrsströme mit Kapazitätserweiterungen aufzufangen. Deshalb ist es richtig, dass der Nationalrat in dieser Session Milliarden für den Autobahnausbau gesprochen hat. So soll etwa die oft verstopfte A1 im Raum Bern oder zwischen der Waadt und Genf um jeweils zwei Spuren erweitert werden. Damit zeigt der Nationalrat Realitätssinn: Der Verkehr ist – zumal in einem wachsenden Land – nun einmal da. Er lässt sich nicht einfach als zeitungemäss wegwünschen. 

Nur wenn verschiedene Massnahmen wie ein variables Preissystem oder Engpassbeseitigungen an neuralgischen Stellen ineinandergreifen, wird die Schweiz ihre Verkehrsprobleme nachhaltig in den Griff bekommen.