Waffenruhe in Gaza«Es geschehen historische Dinge, die den Nahen Osten verändern»
Für Israels Premier Benjamin Netanyahu läuft es gerade gut. Nun verkündet die Hamas einen Waffenstillstand – vermittelt von Katar.
Israel geniesst einen seltenen Augenblick der Friedenshoffnung. «Salam, Peace, Schalom» war dreisprachig auf das El-Al-Flugzeug gemalt worden, das am Dienstag nach zweitägigen Verhandlungen über das geplante Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wieder nach Tel Aviv zurückkehrte. Die israelische und amerikanische Delegation war in Abu Dhabi mit allen Ehren empfangen worden. «Es geschehen historische Dinge, die den Nahen Osten verändern», jubilierte daheim Israels Premierminister Benjamin Netanyahu. Und dann verkündete die Hamas auch noch einen von Katar vermittelten Waffenstillstand, nachdem in den Wochen zuvor rund um den palästinensischen Gazastreifen die Kriegsgefahr wieder aufgeflackert war. Positive Entwicklungen zeichnen sich da zweifellos ab. Doch auf dem Weg zum «Neuen Nahen Osten», der nun vielerorts beschworen wird, dürften noch viele Hürden zu überwinden sein.
Saudiarabien hält sich bedeckt
Denn dass ein Abkommen mit den VAE, das Netanyahu am liebsten noch vor dem jüdischen Neujahrsfest in knapp drei Wochen und der amerikanische Präsident Donald Trump in jedem Fall noch vor der US-Wahl im November unterzeichnen will, einen schnellen Dominoeffekt entfalten wird, ist nicht zu erwarten. Die dafür gehandelten Kandidaten Bahrain, Oman und Sudan haben bereits beim Besuch des US-Aussenministers Mike Pompeo in der vorigen Woche abgewunken. Saudiarabien hält sich so bedeckt, dass die Propagandisten der Neuordnung in den USA und Israel allein die gewährten Überflugrechte für den El-Al-Friedensflug als «historisch» darstellen mussten. Grundsätzlich bleiben Riad und die anderen bei der schon 2002 in der Arabischen Friedensinitiative formulierten Position, dass die Gründung eines Palästinenserstaats Bedingung für den Ausgleich mit Israel ist.
Medizinische Hilfe
Auf diesem Feld jedoch ist jenseits des nun verkündeten Waffenstillstands wenig Bewegung zu verzeichnen. Doch immerhin kehrt nun Ruhe rund um den Gazastreifen ein, nachdem die israelischen Bewohner im Grenzgebiet mit Brandballons und Raketen terrorisiert worden waren und Israels Armee fast jede Nacht Ziele in Gaza angegriffen hatte. Die Mitte August unterbundenen Lieferungen von Waren und Treibstoff in den Gazastreifen wurden am Dienstag gleich wieder aufgenommen. Es gibt Hoffnung, dass auch medizinische Hilfe geleistet wird, um den wachsenden Gefahren einer Corona-Ausbreitung in Gaza zu begegnen.
Im anderen Machtzentrum der Palästinenser, in dem von Präsident Mahmoud Abbas regierten Westjordanland, stehen die Zeichen dagegen auf Verhärtung. Ein Abkommen zwischen Israel und den VAE wird hier als «Verletzung der arabischen Position im arabisch-israelischen Konflikt» gesehen, wie Regierungschef Mohammed Staje klagte. «Sehr schmerzhaft» sei der El-Al-Flug nach Abu Dhabi, sagte er. «Wir hatten gehofft, ein Flugzeug aus den Emiraten zu sehen, das im befreiten Jerusalem landet.» Den Vorwurf des Verrats kontert VAE-Aussenminister Abdullah bin Zayed mit dem Versprechen, dass ein Abkommen mit Israel «nicht auf Kosten unserer Unterstützung für die palästinensische Sache» gehe. Parallel zu den Verhandlungen mit den Israelis und Amerikanern lud er in Abu Dhabi lebende Palästinenser zum Gespräch und bekundete, dass die Emirate weiterhin für «einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt» eintreten würden.
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