Kommentar zum Autofahren im AlterEs braucht ein neues System
Seit knapp fünfzig Jahren müssen alte Leute in der Schweiz zum Arztcheck, wenn sie ihren Führerausweis behalten wollen. Das hat den Verkehr gemäss einer Studie nicht sicherer gemacht. Zeit, etwas zu ändern.
Als vor bald sechzig Jahren das Nationalstrassennetz gebaut wurde, stand das Auto für Unabhängigkeit, für Wachstum, für Freiheit. Wer damals den Führerausweis gemacht hat, ist heute um die 75 Jahre alt – und muss alle zwei Jahre zum Arzt, um seine Fahrtüchtigkeit zu beweisen. Der Eingriff ist dramatisch: Verliert man den Führerausweis, verliert man seine Autonomie. (Lesen Sie auch unsere Reportage: Frau Bigler (75) geht zum Fahrlehrer)
Abgewogen wird gegen das Risiko, einen schweren Unfall zu verursachen: Autofahrer über 75 sind für knapp 10 Prozent der Verkehrstoten in der Schweiz verantwortlich. Im Verhältnis zur gefahrenen Strecke geht von den über 80-jährigen Lenkern die mit Abstand grösste Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer aus.
Ältere Menschen machen meist aufgrund von mentalen oder körperlichen Einschränkungen Unfälle: Sie können den Kopf nicht mehr drehen, sehen und hören schlecht, reagieren langsam, sind von komplexen Situationen überfordert, weil sie Informationen langsamer verarbeiten. Die Arztchecks, die es fast so lange gibt wie die Autobahnen, sollen diese Defizite abwägen.
Nur leider klappt das nicht: Die Schweiz setzt seit bald fünfzig Jahren auf ein System, das die Wissenschaft als untauglich taxiert. Nicht nur die Beratungsstelle für Unfallverhütung kommt in einer Studie zum Schluss, dass Arztchecks nicht den erhofften Sicherheitsgewinn bringen. Das Ergebnis deckt sich auch mit internationalen Studien: Altersbasierte Kontrollen funktionieren nirgends.
Was liegt näher, als eine Person beim Autofahren zu beobachten, um zu beurteilen, ob sie noch Auto fahren kann?
Wenn das kein Anlass ist, dieses System grundsätzlich infrage zu stellen. Zumal die Zahl der älteren Lenkerinnen und Lenker in den nächsten Jahren zunehmen wird. Man könnte den Fokus auf Massnahmen richten, die deren Fähigkeiten im Verkehr erhalten oder gar steigern und ihnen ihre Defizite aufzeigen. Die Universität Zürich hat zum Beispiel in Studien gezeigt, dass das Training im Fahrsimulator einen grossen Unterschied macht.
Und für alle, denen das zu viel Technik ist: Ob auch eine Fahrstunde hilft, wurde nicht direkt überprüft. Aber was liegt eigentlich näher, als eine Person beim Autofahren zu beobachten, um zu beurteilen, ob sie noch Auto fahren kann? Nichts.
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