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Finanzskandal im Kirchenstaat
Erstmals macht der Vatikan einem Kardinal den Prozess

Kardinal Angelo Becciu war eine der mächtigsten Figuren in der römischen Kurie. Nun wird er vom Vatikan angeklagt.
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«Ein faules, raffgieriges System» – so nennen die vatikanischen Ermittler die Machenschaften und unheiligen Netzwerke, die über etliche Jahre hinweg im Innern der Verwaltungszentrale der katholischen Weltkirche die Finanzen geführt haben. Im Zentrum des Skandals steht ein Geschäft mit einer Luxusimmobilie im Londoner Nobelviertel Chelsea über mehrere Hundert Millionen Euro, finanziert aus dem Peterspfennig, der eigentlich für karitative Zwecke gedacht ist. Am 27. Juli beginnt nun ein Prozess gegen zehn Personen, die zu dieser Clique gehört haben sollen. Es wird ihnen unter anderem Veruntreuung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche, Amtsmissbrauch, Betrug und Dokumentenfälschung vorgeworfen. Zu den Angeklagten gehört auch ein Kardinal, und das hat es in der langen Geschichte des Vatikans noch nie gegeben.

Der sardische Kardinal Angelo Becciu, 73 Jahre alt, als Substitut des Staatssekretariats von 2011 bis 2018 einst eine der mächtigsten Figuren in der römischen Kurie, muss sich den Richtern stellen. Bisher war es immer so gewesen, dass Kardinäle sich im Zweifelsfall vor Amtskollegen oder vor dem Papst rechtfertigen mussten, was der ordentlichen Rechtsprechung natürlich eher hinderlich war. Franziskus hat nun aber seine Zustimmung gegeben, dass Becciu, dem er im vergangenen Herbst schon alle Ämter entzogen hatte, der Prozess im vatikanischen Tribunal gemacht wird. Becciu sagt von sich, er sei das «Opfer eines Komplotts», die Medien hätten ihn an den Pranger gestellt. «Der Prozess wird zeigen, dass ich immer treu und ehrlich gehandelt habe.»

Mysteriöse Razzia im Vatikan

Begonnen hat die Aufdeckung des Falls im Herbst 2019, mit einer spektakulären und mysteriösen Razzia im Vatikan. Fünf Mitarbeiter aus der Finanzverwaltung wurden suspendiert – warum genau, wurde nie öffentlich. Ein Jahr später traf es Becciu. Als Nummer 2 im Staatssekretariat hatte der jahrelang über einen schönen Teil der Finanzanlagen der Kirche verfügt und sich dabei auch auf dubiose Finanzjongleure und Broker verlassen.

Eigentlich hatte Becciu einst vorgehabt, in ein Ölprojekt in Angola zu investieren, wo er davor Nuntius gewesen war. Sein Berater Enrico Crasso, ein römischer Banker mit einem Fonds in der Schweiz, empfahl ihm stattdessen ein Grossinvestment in eine Immobilie. In der ehemaligen Lagerhalle des Kaufhauses Harrods an der Sloane Avenue 60 in London sollten Luxuswohnungen entstehen, die der Vatikan dann teuer an vermögende Menschen verkaufen würde. Das war der Plan, ein reichlich unorthodoxer für eine Kirche – und als Finanzanlage, wie sich herausstellen sollte, ein gigantisches Verlustgeschäft. Die Vermittler des Deals aber verdienten viel Geld. Ein Makler erhielt 40 Millionen Euro, ein Broker 15 Millionen. Die Liste ihrer Anklagepunkte ist besonders lang geworden.

Cecilia Marogna bezeichnet sich selbst als Geheimdienstexpertin. Ihr wird vorgeworfen, Gelder veruntreut zu haben. 

Becciu selbst wird auch vorgeworfen, er habe seine drei Brüder mit Geldüberweisungen und lukrativen Aufträgen aus dem Vatikan beschert. Einer von ihnen betreibt eine Bierbrauerei, auch die erhielt Geld. In dem Verfahren wird auch eine Frau zitiert: Cecilia Marogna, 40 Jahre, aus Sardinien wie Becciu. In den italienischen Medien läuft sie unter dem Spitznamen «Dama del Cardinale».

Marogna sagt von sich, sie sei Geheimdienstexpertin. Sie soll sich Becciu als Mittlerin bei Geiselnahmen von Geistlichen angedient haben. Auf das Konto ihrer Briefkastenfirma in Slowenien flossen mindestens 575’000 Euro, einen hübschen Teil davon gab sie für Mode und Accessoires von Designern aus. Die vatikanischen Ankläger werfen ihr Veruntreuung vor.

Schweizer Jurist galt als Saubermann

Vorgeladen wird auch der Schweizer Jurist René Brülhart, der 2010 als Garant für mehr Transparenz vom damaligen Papst Benedikt XVI. in den Vatikan berufen worden war – als Chef der Finanzaufsicht. Unter Franziskus wechselte Brülhart in deren Verwaltungsrat. Er galt als Saubermann, nun bezichtigt man ihn des Amtsmissbrauchs. Brülhart sagt, der Prozess werde seine Unschuld beweisen, überdies gebe es da einen Verfahrensfehler, den er anfechten werde.

Erwartet wird ein langer Prozess. Der Vatikan ist nicht sonderlich gut ausgerüstet für diese Art von Verfahren – und gar gänzlich unbedarft, wenn es ums Richten seiner hohen Prälaten geht.