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Urbane Gärtnerin im Interview
«Männer fragen nach scharfen Chilisorten, Frauen suchen die Ästhetik»

Gudrun Ongania Gründerin von "Veg and the City", ist Spezialistin für urban gardening. Ongania.

Gudrun Ongania im Gartengeschäft an der Lagerstrasse in Zürich

26.03.2024
© Silas Zindel
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Die Frau, deren Namen nach einer exotischen Blüte klingt, hat Urban Gardening in der Schweiz populär gemacht. Gudrun Ongania bringt selbst kleinste Balkone zum Erblühen und sorgt mit ihrem Unternehmen VEG and the City dafür, dass auch mitten in der Stadt Gemüse geerntet wird. In ihren Läden verkauft sie Bio-Setzlinge und Slow Flowers, aber auch modische Gartenhandschuhe, Mini-Giesskannen und Seedbombs, zum Beispiel Kornblumensamen, «die Schmetterlinge wuschig machen».

Frau Ongania, angenommen, Sie wären eine Pflanze, welche wären Sie?

Ich schwanke zwischen der Sonnenblume und dem Radieschen: Ich bin ein megafröhlicher Mensch, ich bin flexibel und habe gern die Übersicht, wie die Sonnenblume, die sich stets der Sonne zuwendet. Und ich setze meine Pläne rasch in die Realität um, ich bin schnell wie das Radieschen, das bereits nach vier Wochen geerntet werden kann.

Zügig kam auch Ihr Erfolg. 2012 starteten Sie ins Gartenbusiness, heute sind Sie die erfolgreichste Unternehmerin im urbanen Gärtnern und beschäftigen 35 Mitarbeitende. Wann haben Sie Ihren grünen Daumen entdeckt?

Schon als Kind habe ich sehr gern gegärtnert. Ich bin in Tirol aufgewachsen, in einem Haus mit grossem Umschwung, meine Eltern verbrachten viel Zeit im Garten. Ich wollte immer Kartoffeln pflanzen! In der Erde buddeln und etwas Grosses ernten, das hat mich begeistert. Natürlich auch, weil ich Kartoffelgerichte liebte.

Sie wurden aber nicht Gärtnerin, sondern machten Karriere als Unternehmensberaterin, unter anderem begleiteten sie Betriebe bei der Einführung von IT-Systemen. Wie kam es zum Wechsel in die Pflanzenwelt?

Trotz Erfolg, gutem Gehalt und Verantwortung wollte ich etwas Eigenes machen. Nur was? Es war die Zeit, als Urban Gardening langsam aufkam, in New York und Berlin, jedoch noch nicht in der Schweiz angekommen war. Damals gabs noch kein Zubehör fürs Bepflanzen von kleinen Flächen. Da ich schon immer sehr IT-affin war, habe ich innert kurzer Zeit einen Onlineshop gegründet. Ich habe Goodie-Bags auf den Redaktionen verteilt und bekam rasch mediale Aufmerksamkeit.

Gudrun Ongania Gründerin von "Veg and the City", ist Spezialistin für urban gardening. Ongania.

Gudrun Ongania im Gartengeschäft an der Lagerstrasse in Zürich

26.03.2024
© Silas Zindel

Woher kommt die Faszination fürs Bepflanzen von Töpfen oder Holzkisten?

Auf kleinsten Flächen etwas zu pflanzen, hat mich schon immer gereizt. Meine erste Wohnung hatte keinen Balkon, also habe ich versucht, drinnen Gemüse zu ziehen, mit mässigem Erfolg. Vor allem aber wollte ich den Städtern einen Zugang zur Natur vermitteln. Mit dem Ziel, dass Nahrungsmittel wieder mehr geschätzt und vielleicht auch weniger weggeschmissen werden. Und Gärtnern sollte auch etwas sexy sein, daher unser Geschäftsname, angelehnt an «Sex and the City».

Das Gartengeschäft ist nach wie vor eine Männerdomäne. Wie haben Sie sich behauptet?

Ich bin ein impulsiver Mensch, typisch «Widder», einfach machen. Egal ob Männerdomäne oder nicht. Schon im Gymi war ich die einzige Frau in der Informatik. Aber natürlich habe ich mich reingekniet, ich habe sehr viel gelesen und ausprobiert. Mein Mann hat immer gesagt, ich sei die akademische Gärtnerin. Ich habe mir viel Wissen angeeignet, auch von meinem Team, übrigens 28 Frauen und nur sieben Männer, die alle aus der Gartenbranche kommen.

Was braucht es denn für einen urbanen Garten?

Wer einen Balkon hat, auch wenn er nur zwei Quadratmeter gross ist, kann schon einiges anpflanzen. Der Balkon mit Sonne ist ideal, um grössere Töpfe oder einen Pflanzsack auf den Boden zu stellen. Und die Balkonkistchen eignen sich super für flachwurzelnde Pflanzen, für Salat, Randen, Kohlrabi oder Erdbeeren.

Ihr Kursangebot reicht vom 45-minütigen Workshop «Eigenes Gemüse vom Fenstersims» bis zum 5-stündigen Einmachkurs. Was läuft am besten?

Der Zimmerpflanzen-Kurs ist sehr beliebt: Wie wähle ich die Pflanze aus, wie pflege ich sie, welchen Effekt hat sie auf das Raumklima? Jetzt im Frühling beginnen wir mit dem dreistündigen «Basiskurs Urban Gardening», hier lernt man, wie man essbare Sachen in ein Gefäss pflanzt, wie man düngt und richtig giesst.

Wen sprechen Sie mit den Kursen vor allem an?

Grundsätzlich kann jeder gärtnern, man darf einfach nicht enttäuscht sein, wenn mal etwas schiefgeht. In unseren Kursen überwiegen klar die Frauen, wobei in den vergangenen Jahren vermehrt auch Männer kamen. Die meisten sind zwischen 25 und 40 sowie 55 und 65 Jahre alt.

Was ist beim Gärtnern auf dem Balkon typisch männlich, was typisch weiblich?

Männer fragen stets nach scharfen Chilisorten. Und sie wollen in den Kursen immer alles exakt in Masseinheiten wissen: Wie viel Wasser für welche Topfgrösse, wie viel Gramm Dünger ganz genau? Für die Frau ist oft die Ästhetik entscheidend, das heisst die Bepflanzung soll nicht nur schmecken, sondern vor allem auch hübsch aussehen.

Gudrun Ongania Gründerin von "Veg and the City", ist Spezialistin für urban gardening. Ongania.

Gudrun Ongania im Gartengeschäft an der Lagerstrasse in Zürich

26.03.2024
© Silas Zindel

Was kann man jetzt an Ostern bereits pflanzen?

Salate, Radieschen, Broccoli, Rüebli, erste Kräuter, alles Sachen, die sehr einfach sind. Aber noch nichts, das viel Wärme braucht. Die meisten lechzen ja nach Tomaten, Zucchini oder Gurken, dafür ists noch zu früh. Tomaten kann man zwar schon vorbestellen, wir verschicken sie jedoch aus Prinzip erst im Mai. Die Gefahr, dass sie sonst kaputtgehen, ist zu gross.

Was ist die häufigste Frage, die Ihnen im Frühling gestellt wird?

Kann ich die Erde vom letzten Jahr wieder verwenden? Meine Antwort: Ja, etwas auflockern, etwas auffüllen mit frischer Erde und biologischem Langzeitdünger, dann ist die Erde wieder parat. Wohnt man an einer stark befahrenen Strasse, lohnt es sich, die Erde wegen der Schadstoffe alle zwei Jahre auszuwechseln. Und dann natürlich die ständige Frage: Warum geht mein Basilikum immer ein?

Das wäre auch meine Frage, was mache ich falsch?

Wichtig ist, dass man das Basilikum aus dem Töpfchen nimmt, die Pflänzchen vorsichtig auseinandertrennt und einpflanzt. Basilikum ist eine Diva: Es mag Sonne, aber nicht zu viel, hat gern Wasser, aber nicht nasse Füsse, und Zugluft ist heikel. Idealerweise setzt man Basilikum unter eine hochwachsende Pflanze. Bei Kräutern muss man generell aufpassen, dass die Symbiose stimmt: Rosmarin oder Thymian etwa, die auch auf extrem trockenen Boden gedeihen, vertragen sich nicht mit Minze, die viel Wasser braucht.

Einige Balkonpflanzen haben den Winter scheinbar nicht überlebt. Wie kann man sie wieder zum Leben erwecken?

Am besten schreibt man im Herbst den Namen der Pflanze auf den Topf und klärt ab, ob sie einjährig oder mehrjährig ist. Schnittlauch, Minze oder Liebstöckel sehen zwar tot aus, doch sobald die Sonne kommt, spriessen sie wieder. Generell gilt: Spätestens im April sollte man ein grünes Blättchen sehen, sonst geht nichts mehr.

Gudrun Ongania Gründerin von "Veg and the City", ist Spezialistin für urban gardening. Ongania.

Gudrun Ongania im Gartengeschäft an der Lagerstrasse in Zürich

26.03.2024
© Silas Zindel

Welche Fehler werden am häufigsten gemacht?

Dass man zu viel in einen Topf pflanzt oder sät. Es sieht zwar am Anfang nach nichts aus, aber es wächst ja noch. Und wenns zu dicht wird, hören die Pflanzen auf zu wachsen. Oder falsch giessen, zu viel oder zu wenig, das kommt ebenfalls oft vor.

Wie giesst man denn richtig?

Mein Tipp: Den Finger in die Erde stecken, ists unten noch feucht, brauchts noch kein Wasser. Je kleiner das Gefäss, desto mehr muss ich wässern. Die Balkonkistchen giesse ich an heissen Sommertagen sogar morgens und abends. Und man muss langsam giessen, damit das Wasser nicht einfach durchrinnt. Am besten man nimmt einen Kaffee, Tee oder ein Bier mit auf den Balkon und lässt sich Zeit.

«Ich bin ein grosser Fan von Cherry-Tomaten, die geben am meisten her.»

Was ist Ihre persönliche Lieblingspflanze?

Die Tomate! Ich liebe Tomatenpflanzen und habe immer viele verschiedene Sorten in Pflanzsäcken auf der Terrasse. Die Pflanze an sich finde ich nicht wahnsinnig attraktiv, aber es ist schön, ihr beim Wachsen zuzuschauen. Und natürlich schmecken die eigenen Tomaten am besten! Ich esse sie morgens im Rührei oder als Salat – und was am Ende der Saison übrig bleibt, koche ich als Sauce ein.

Man möchte den Gästen beim Grillplausch auf dem Balkon ja nicht bloss drei eigene Tomätchen präsentieren. Mit welchen Tricks bringt man es zu einer üppigen Ernte?

Ich bin ein grosser Fan von Cherry-Tomaten, die geben am meisten her. Entscheidend ist ein grosses Gefäss, die Tomatenpflanze braucht etwa 25 Liter Erde, damit sie gedeiht. Mein Trick: Die Pflanze bis zum ersten Blatt schräg einpflanzen, damit die Seitenwurzeln am Stamm wachsen. So kann sie mehr Wasser aufnehmen. Ganz wichtig ist, dass man, wenn die Pflanze grösser ist, von unten etwas Blätter wegnimmt, damit die Kraft in die Früchte geht.

Gudrun Ongania Gründerin von "Veg and the City", ist Spezialistin für urban gardening. Ongania.

Gudrun Ongania im Gartengeschäft an der Lagerstrasse in Zürich

26.03.2024
© Silas Zindel

Was liegt heute besonders im Trend?

«Superfood» ist nach wie vor sehr gefragt. Pflanzen, die über besonders viele Vitamine und Nährstoffe verfügen. Alle Arten von Beeren, vor allem die Aronia. Aber auch Löwenzahn, Spinat und Sprossen. Und Kale, Kale, Kale: Der Federkohl war und ist ein mega Hype.

Früher sah man bloss Geranien auf den Balkonen, welche Blumen empfehlen Sie?

Wir haben keine Geranien im Sortiment, aber zu einem Bauernhaus passen sie wunderbar. Ich mag Blumen, die man essen kann und die Insekten anziehen: Kornblumen, Cosmea oder Kapuzinerkresse, deren Blätter und Blüten essbar sind, ich schnetzle sie gern in den Salat, das schmeckt megawürzig. Oder Löwenmäulchen, die man mit Frischkäse füllen kann. Auch Rosenblätter oder Lavendel haben einen feinen Eigengeschmack.

Kein Garten ohne Schnecken, sogar ins Hochbeet schaffen sie es. Sind wenigstens die Balkonpflanzen vor ihnen sicher?

Nicht unbedingt, sobald sie merken, dass es etwas Zartes zu fressen gibt, hat man sie – vielleicht nicht gerade im vierten Stock. Schnecken sind megaschlaue Tierchen, es nützt nichts, wenn man sie über den Zaun zum Nachbarn wirft, im Umkreis von 25 Metern finden sie immer wieder zurück.

Die Grossmutter halbierte die Nacktschnecken im Sommer jeden Abend mit der Gartenschere oder stellte Gläser mit Bier auf, in denen sie dann ertranken. Gibts eine nettere Art, die Schnecken loszuwerden?

Bier habe ich auch schon aufgestellt, es hilft, aber es ist einfach megagruusig. Zerschneiden oder sie einsammeln und Schockgefrieren ist wohl der sanfteste Tod. Ich hätte aber Angst, sie im Gefrierschrank zu vergessen.

Was dann?

Eine Mitarbeiterin legt extra etwas Rüstabfälle in eine Ecke des Sitzplatzes und lockt die Schnecken so vom Gemüse weg. Das ist sicher die netteste Art. Allerdings wird man die Schnecken dadurch nicht los … Ich nutze sogenannte Schneckenkragen, die verhindern, dass die Schnecken zu den zarten Setzlingen gelangen. Und wenns mir wirklich aushängt, streue ich ein paar wenige biologische Schneckenkörner, die keinem anderen Tierchen schaden.

Was empfehlen Sie als grünen Sichtschutz vor Nachbarsblicken?

Etwas Rankendes, Bohnen und Gurken zum Beispiel eignen sich hervorragend, sie wachsen relativ schnell und dicht. Und zusätzlich ein paar Sonnenblumen fürs Auge. Und damit die Nachbarschaft nicht leidet, sollte man beim Wässern aufpassen: Langsam giessen und die Gefässe so hinstellen, dass der Nachbar nicht die ganze Suppe abkriegt.

Gudrun Ongania Gründerin von "Veg and the City", ist Spezialistin für urban gardening. Ongania.

Gudrun Ongania im Gartengeschäft an der Lagerstrasse in Zürich

26.03.2024
© Silas Zindel

Was pflanzen Sie in Ihrem eigenen Garten?

Unser Garten liegt über der Tiefgarage. In den Gemüsebeeten wachsen Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Randen, Gurken und Salat. Daneben habe ich viele blühende Stauden wie Echinacea für Insekten. Auf dem Balkon stehen Tomaten und Kräuter. Wenn ich gut plane, muss ich im Sommer keinen Salat einkaufen. Und Erdbeeren kaufe ich kaum, weil sie aus dem eigenen Garten einfach viel aromatischer sind. Kräuter wie Schnittlauch, Petersilie oder Basilikum friere ich gern ein, man schneidet sie klein und gibt sie mit etwas Wasser in einen Eiswürfelbehälter.

Das alles tönt nach viel Arbeit. Hilft Ihr Mann mit?

Der Garten ist schon mein Metier. Mein Mann hilft, wenn ich ihn frage. Er programmiert den Rasenroboter und schleppt die Grünabfuhr in die Tonne. Die Kinder graben am liebsten in der Erde. Mein Sohn, er ist sechs, weiss, wie man einsät, wie eine Gurke oder ein Kohlrabi wächst und dass man sorgsam mit Pflanzen umgehen soll.

Sie sind ja der Meinung, etwas Gemüseanbau sollte Allgemeinbildung und sogar Schulfach sein.

Ja, denn wenn man weiss, dass ein Rüebli bis zu hundert Tage Wachstumszeit braucht, wird dem Produkt vielleicht mit mehr Respekt begegnet. Das heisst, dass auch ein labbriges Rüebli noch verwertbar ist. Ich backe zum Beispiel gern Karotten-Tarte: in der Pfanne gebratene Rüebli mit Thymian und Balsamico würzen, in eine Kuchenform geben und mit Blätterteig bedecken, 20 Minuten backen, umdrehen und fertig.

Ihr Business hat Zukunft, drei Viertel der Bevölkerung leben im urbanen Raum, und die Verstädterung der Schweiz geht weiter. Was bedeutet das für «VEG and the City»?

Inzwischen wurden wir oft kopiert, auch Grossverteiler haben unsere Produkte ins Sortiment aufgenommen. Doch was für andere ein Trend ist, ist unser Business, deshalb müssen wir immer einen Schritt voraus sein. Ich stelle fest, dass die Kunden wahnsinnig viel online bestellen, vom Salatsetzling bis zur Zimmerpflanze. Deshalb bauen wir unser Onlineangebot weiter aus, alles soll bestellbar sein, von den Samen über Topf und Humus bis zum Blumenabo.

Gärtnern ist en vogue, im Netz kursieren unzählige Sprüche der Gartenfans: «Ich muss an allen Tagen in den Garten, die mit ‹g› enden. Und Mittwochs.» Oder: «Er hat gesagt: Dein Garten oder ich. Manchmal vermiss ich ihn.» Haben Sie einen Lieblingsspruch?

Lustig, tatsächlich haben wir an der Gartenmesse Giardina vor zwei Wochen in Zürich extra Schildchen mit Sprüchen bedruckt. Zum Beispiel: «All guests must be approved by the plants.» Also, alle Gäste müssen von den Pflanzen genehmigt werden. Der gefällt mir besonders.

Welchen Gartentraum hegen Sie persönlich?

Ich träume von einem verwunschenen, etwas verwilderten Garten, einem Teichlein mit Weiden und verborgenen Sitzplätzchen. Ein Garten, der zum Verweilen einlädt.