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Meinung

Kommentar zum Eritrea-Entscheid
Die Asyldebatte wird zunehmend irrational

Petra Goessi, FDP-SZ, Mitte, spricht neben Damian Mueller, FDP-LU, links, und Josef Dittli, FDP-UR, waehrend der Debatte um die Motion APK-N, russische und andere auslaendische Spione konsequent ausweisen, am ersten Tag der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 27. Mai 2024, im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Asylsuchende in irgendein anderes Land schicken: Diese Idee wird in vielen Ländern diskutiert, in allen möglichen Varianten. Früher galt Australien als Vorbild, neuerdings Grossbritannien. Die britische Regierung will Asylsuchende nach Ruanda ausfliegen, damit sie dort Asyl beantragen.

In der Schweiz will das Parlament nun, dass abgewiesene Asylsuchende aus Eritrea in einen Drittstaat wie Ruanda gebracht werden. Mit 120 zu 75 Stimmen hat der Nationalrat am Montag eine Motion von FDP-Ständerätin Petra Gössi angenommen. Der Ständerat hatte bereits im Frühjahr zugestimmt. Damit hat der Bundesrat den Auftrag, einen willigen Drittstaat zu finden.

Noch vor einem halben Jahr hatte der Nationalrat einen ähnlichen Vorstoss von FDP-Ständerat Damian Müller abgelehnt. Zwei Tage später reichte Gössi ihren Vorstoss ein. Der einzige Unterschied: Gössi fordert «nur» ein Transitabkommen. Die abgewiesenen eritreischen Asylsuchenden würden also nicht im Drittstaat bleiben, sondern sich dort bloss vorübergehend aufhalten – und dann nach Eritrea weiterreisen.

Eine absurde Lösung

Das sei ein innovativer Ansatz, sagen die Befürworter. Natürlich sei es schwierig, räumte FDP-Nationalrat und Kommissionssprecher Christian Wasserfallen ein. Aber man müsse es wenigstens versuchen. Es brauche endlich Lösungen, hiess es im Rat. Als ob die Schweiz nicht dauernd abgewiesene Asylsuchende in ihre Herkunftsländer abschieben würde. Als ob es im Fall von Eritrea am Willen fehlte. Als ob es um Tausende ginge.

In Wahrheit geht es um 278 abgewiesene Eritreer. Und Gössis «Lösung» entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ziemlich absurd. Eine freiwillige Rückkehr nach Eritrea ist jederzeit auch aus der Schweiz möglich. Zwangsweise Rückführungen seiner Bürger hingegen lehnt Eritrea ab – und zwar aus allen Staaten.

Die Eritreer könnten also nicht von Ruanda oder einem anderen Drittstaat nach Eritrea gebracht werden. Würden sie aber nicht weiterreisen, müsste die Schweiz sie zurücknehmen. Ein Transitabkommen ohne Rückübernahmeklausel: Das ist laut dem Bundesrat undenkbar.

Kehrtwende der Mitte-Partei

Das Parlament sagte trotzdem Ja. Trotz der berechtigten Einwände. Trotz der Warnung, all das werde nur zusätzliche Kosten für die Rückführung der Personen in die Schweiz generieren. (Dass es fragwürdig sein könnte, die Verantwortung einem Land wie Ruanda abzutreten, ist ohnehin kaum ein Thema.)

Der Entscheid zeigt: Argumente spielen in der Asylpolitik zunehmend keine Rolle mehr. Europaweit ist die Debatte panisch und irrational – nach dem Wahlsieg der Rechtsradikalen dürfte sich das noch akzentuieren. Auch in der Schweiz sind Vorstösse wie jener Gössis plötzlich mehrheitsfähig, offenkundig unter dem Eindruck von Grossbritanniens Ruanda-Deal – obwohl bisher kein Flugzeug mit Asylsuchenden die britische Insel verlassen hat.

Dass auch die Mitte-Partei, die Müllers Vorstoss noch abgelehnt hatte, Gössis Variante nun fast geschlossen angenommen hat, ist unverständlich. Was die Ja-Stimmenden freilich wissen dürften: Die Annahme des Vorstosses bleibt voraussichtlich folgenlos. Der Bundesrat wird dem Parlament wohl in einigen Jahren mitteilen müssen, der Plan, abgewiesene Asylsuchende via Drittstaat nach Eritrea zurückzuschicken, habe nicht funktioniert. Die Zustimmung ist somit billige Symbolpolitik. Sie hat keinen Preis – abgesehen von der Glaubwürdigkeit.