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Erdogans kleine Rache an Trump

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«Eine freundliche Person aus der Türkei bitte, freundlich, wir wollen nur freundliche Reporter sehen», bittet US-Präsident Donald Trump seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan auf der gemeinsamen Pressekonferenz im Weissen Haus noch. Da zeigt dieser schon auf eine Frau mit beige-glänzendem Kopftuch, als wüsste er genau, was er da macht.

Die Reporterin erhebt sich von ihrem Platz, nimmt sich das gereichte Mikrofon und fragt Trump in geschliffenem Englisch, wie es sein könne, dass er mit Mazloum Abdi einen kurdischen «Terroristen-Führer» zu einem Treffen eingeladen habe, der in der Türkei für 18 Terror-Anschlägen verantwortlich zeichne, bei denen 164 Soldaten und 48 Zivilisten getötet worden seien? Zum Hintergrund: Abdi führt das kurdische Militärbündnis «Demokratische Kräfte Syriens» mit dem die USA Seite an Seite gegen den IS gekämpft haben.

Trump eiert herum

Keine nette Frage also. Trump versucht, sich nicht aufzuregen. Er habe kürzlich mit Abdi gesprochen, das sei ein sehr gutes Gespräch gewesen, die USA arbeiten eng mit ihm zusammen. «Wir arbeiten auch eng mit ihrem grossartigen Präsidenten zusammen», sagt er und weist auf Erdogan, der keine Miene verzieht, dem diese Gleichstellung aber kaum gefallen dürfte.

Das sei ja auch alles eine Frage der Definition, eiert Trump herum. Manche Gruppen innerhalb der kurdischen Bevölkerung werden halt gemocht, andere nicht. Aber mit der Türkei habe es grosse Fortschritte gegeben, «O.k.? – Vielen Dank», sagt Trump und stellt dann noch eine Frage. «Sind Sie sicher, dass Sie eine Reporterin sind und nicht für die Türkei arbeiten?» Einige im Saal lachen. Erdogan nicht.

Es ist noch nicht das Ende eines – sagen wir – spannungsreichen Nachmittages, den beide Präsidenten am Mittwoch im Weissen Haus verbracht haben. Anfang Oktober hat Erdogan Trump innenpolitisch in grosse Not gebracht. Damals glaubte Trump, er habe Erdogan in einem Telefonat die Zusicherung abgerungen, nicht gegen die Kurden im Norden Syrien vorzugehen, wenn er die letzten verblieben US-Truppen dort abzieht. Dabei hatte Erdogan schon Stunden vor dem Telefonat seine Soldaten in Bewegung gesetzt.

Er sei «ein grosser Fan» von Erdogan, sagt Trump. Ein Satz, den er am Ende der Pressekonferenz vielleicht bereut.

Die Kurden mussten fliehen, darunter Zehntausende Kinder, Hunderte IS-Kämpfer konnten aus Gefängnissen entkommen. Und alles nur, weil Trump sein Wahl-Versprechen einlösen wollte, alle Truppen aus Syrien abzuziehen. Erdogan hatte Trump schlicht über den Tisch gezogen, berichteten Offizielle des Weissen Hauses nach dem Telefonat.

Nicht nur Demokraten, auch viele namhafte Republikaner verurteilten Trump dafür. Waffenbrüder werden nicht so einfach im Stich gelassen, war der Tenor. Es dauerte etwas bis Trump verstand, dass er selbst für seine eigenen Leute eine rote Linie überschritten hatte. Er liess seinen Aussenminister Mike Pompeo einen Waffenstillstand aushandeln, der seit 17. Oktober gilt, versprach den Handel anzukurbeln und lud Erdogan auch noch ins Weisse Haus ein. Er sei «ein grosser Fan» von Erdogan, sagt Trump in der Pressekonferenz. Ein Satz, den er am Ende der Pressekonferenz vielleicht bereut hat.

Die Liste der Konfliktthemen ist lang:

  • Da ist der Prediger Gülen, den die Türkei für einen Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht und der in den USA lebt. Für Erdogan ist das «unakzeptabel». Er habe Trump jedenfalls einen Stapel mit Dokumenten übergeben, die Gülens Schuld beweisen sollen, damit die USA diesen endlich ausliefern.
  • Geärgert hat Erdogan auch eine Entscheidung des US-Kongresses Ende Oktober, in der die USA die Tötung von 1,5 Millionen Armeniern während des ersten Weltkrieges als Völkermord anerkennen. Erdogan sagt, damit habe der Kongress die türkische Nation verletzt.
  • Ungelöst bleibt an diesem Nachmittag auch der Konflikt um den Kauf von russischen Abwehrraketen des Typs S-400. Erdogan besteht auf den Kauf. Für Trump ist das eine Provokation. Die Türkei ist Nato-Partner. Rüstungsgüter der Russen zu kaufen ist da eigentlich keine Option. Ausserdem befürchten die USA, dass Russland über das Radar des Waffensystems an sensible Daten des US-Kampfjets F-35 kommen könnte. Die Türkei war am Bau des Jets beteiligt und wollte eine Reihe davon kaufen. Weil sie aber am S-400 Kauf festhalten wollen, hat die USA sie vom F-35-Programm ausgeschlossen. Erdogan erweist sich als mindestens ebenso stur und unkonventionell wie Trump.

Und dann ist da noch der Brief. Ein Reporter von Fox News fragt Erdogan danach, eigentlich ein Trump-freundlicher Sender. Trump hatte nämlich Erdogan am 9. Oktober einen Brief geschickt, um die Lage in Nord-Syrien zu befrieden. Für eine Korrespondenz zwischen zwei Staatspräsidenten fiel das Schreiben – nun ja – ungewöhnlich aus – wir haben berichtet. Trump forderte Erdogan darin auf, jetzt nicht den starken Mann zu markieren («don't be a tough guy») und sich nicht wie ein Idiot zu benehmen («don't be a fool»). Er solle deswegen mit seinen Soldaten schön zu Hause zu bleiben. Erdogan hat auf den Brief nicht geantwortet.

Der Brief an Erdogan. (Bild: Reuters)

Der Fox-News-Reporter will wissen, warum Erdogan den Brief des US-Präsidenten ignoriert hat und stattdessen in Nord-Syrien einmarschiert ist? Als Erdogan zur Antwort anhebt, huscht ein leichtes Schmunzeln über die Lippen des türkischen Präsidenten. «Nun, wir haben diesen Brief an diesem Nachmittag dem Präsidenten zurückgegeben.» Mehr sagt er dazu nicht. Trumps Schreiben scheint Erdogan nicht sonderlich beeindruckt zu haben – aber zumindest konnte er es noch als kleinen Rachepfeil gegen den US-Präsidenten einsetzen.

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