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Türkischer Angriff auf Griechenland? 
Erdogan macht Wahlkampf – und droht mit Krieg

«Wenn die Zeit, wenn die Stunde kommt, werden wir das Nötige tun»: Der türkische Präsident Erdogan betreibt Wahlkampf mit Kriegsdrohungen. 
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Man mag Recep Tayyip Erdogan vieles ankreiden können – Leisetreterei gehört nicht dazu. Im Gegenteil, der türkische Präsident eckt möglichst laut an, wo immer es geht. Das gehört seit Beginn der Laufbahn des inzwischen 68-Jährigen zum politischen Markenkern. Klare Worte zählen ebenso dazu wie pure Provokation, Verzerrung der Tatsachen oder rücksichtsloses Quertreiben auf der internationalen Bühne, wenn es nur der türkischen oder der eigenen Sache dient. Dies ist aus Erdogans Sicht ohnehin ein und dasselbe. Was sich nach fast zwei Jahrzehnten an der Macht fast von selbst erklärt.

Jüngstes Beispiel sind Erdogans harsche Äusserungen über Griechenland. Sie kommen einer Kriegsdrohung gleich. Der Präsident, der in den ersten elf Jahren als Premierminister regiert hat und sich 2014 ins höchste Staatsamt wählen liess, hat wieder einmal völlig unvermittelt zum Schlag ausgeholt. Er lässt das Nachbarland wissen, im Territorialstreit im östlichen Mittelmeer könne die Türkei «über Nacht» Tatsachen schaffen. Will heissen, Ankaras Truppen könnten im Handstreich einige der kleineren – vielleicht auch der grösseren – griechischen Mittelmeerinseln besetzen, um die die beiden Nato-Staaten seit Jahrzehnten streiten.

Angeblich hatte die griechische Luftabwehr vor wenigen Tagen türkische Maschinen ins Visier genommen, was Athen vehement bestreitet und was sich für Aussenstehende nicht klären lässt. Aber dies war für Erdogan der Anlass zum Lärmen in einer Zeit, in der sich der historische Sieg der Türken über die Griechen zum 100. Mal jährt: «Wenn die Zeit, wenn die Stunde kommt, werden wir das Nötige tun.» Sauber intoniert für die stets national gestimmte türkische Gefühlswelt, spielt er auf die Niederlage der Griechen an, die nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches Teile der heutigen Türkei besetzt hatten, bis der nationale Übervater Atatürk die Besatzer nach dem Ersten Weltkrieg im «Befreiungskrieg» vertrieb. Das passt zusammen: Erdogan betreibt Aussenpolitik stets auch mit innenpolitischer Zielsetzung, und in spätestens zehn Monaten wählen die Türken.

Bei Erdogan ist fast alles möglich

Über den Innenpolitiker Erdogan, geboren in Istanbul als Sohn eines Seemanns, ist alles gesagt worden. Er hat den Rechtsstaat ausgehöhlt, mit seiner Islamisierungspolitik die Türken polarisiert, er regiert immer autoritärer. Der Aussenpolitiker zeigt aber andere Qualitäten. Seine Versuche, die Türkei mit diplomatischen und militärischen Mitteln zur muslimischen Nahost-Vormacht zu machen, müssen zwar als grandios gescheitert betrachtet werden, vor allem in Syrien. Aber seine geschickte Ukraine-Politik hat den in den USA und in Europa lange als neoosmanischen Tunichtgut geschmähten Türken wieder zum unverzichtbaren Player gemacht.

Trotz einer geopolitisch für Ankara schwierigen Lage schafft Erdogan es, im russisch-ukrainischen Krieg die Rolle des Maklers zu übernehmen. Und das, obwohl er Kiew Waffen liefert und Moskau gleichzeitig beim Umgehen der Sanktionen beisteht. Mit dem Getreide-Abkommen hat er sich eine Rampe gezimmert, auf der er am Ende zum Paten eines Friedensschlusses werden könnte. Derzeit tourt er auf dem Balkan. In diesem geopolitischen Minenfeld bietet er sich als Mittler im Streit um Bosnien-Herzegowina an, er kann dort auf die gemeinsame osmanische, muslimische Vergangenheit verweisen.

Glaubt man den Umfragen, muss der Vater von vier erwachsenen Kindern innenpolitisch um seine Zukunft bangen. Aber zehn Monate bis zur Wahl sind eine lange Zeit in der türkischen Politik. Beim Taktiker Erdogan, der sogar einen Militärputsch überstanden hat, ist fast alles möglich. In seiner Jugend ein talentierter Fussballer mit Profi-Ambition, geht Erdogan die Politik an wie ein Stürmer das Tor: Er wartet auf seine Chance und setzt sie dann ohne Zögern rücksichtslos um.