Krypto-Boom in Energiebranche Er zapft einer Pipeline Erdgas ab und macht Bitcoins daraus
Auf einem viralen Twitter-Video macht ein Mann Geld mit dem Abfall aus der Ölförderung. Auch grosse Player jagen nun nach billigem Strom, bevor die Blase platzt.
Ein Video aus Ost-Texas sorgte auf Twitter kürzlich für Aufsehen. Neben einer Ölpipeline ist ein Metallcontainer mit Hunderten von Computern mit roten Kabeln zu sehen. Es ist laut und dreckig, aber das Produkt sei sauber, sagt Matt Lohstroh. Er generiert Strom aus überschüssigem Erdgas, statt es ungenutzt abzufackeln und die Atmosphäre mit klimaschädlichem CO₂ zu belasten. Mit dem Strom stellt er eigene Bitcoins her, die dank dem billigen Gas satte Gewinne versprechen.
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Das Video wurde knapp zwei Millionen Mal angeschaut und löste mehrere Tausend Kommentare aus. Angeblich sollen sich bereits Investoren aus Russland und Saudiarabien gemeldet und Interesse an der Technologie gezeigt haben. «Abfackeln ist denkbar schlecht für die Umwelt», sagt Lohstroh. Fast alles Methan, das als Beiprodukt der Erdölförderung anfällt und nicht verkauft werden kann, werde verbrannt und trage rund ein Prozent zur globalen Klimabelastung bei.
«Was ist falsch daran, dass wir beides zusammen machen: die Umwelt entlasten und Geld machen?»
Texas könnte laut Lohstroh mit ausreichend Strom versorgt werden, wenn das Methan gebraucht statt abgefackelt würde. Mit seiner Anlage könne das Gas zu rund 99 Prozent genutzt werden. «Was ist falsch
daran, dass wir beides zusammen machen: die Umwelt entlasten und Geld machen?»
Je höher der Bitcoin-Preis, desto grösser der Stromverbrauch
Die Jagd nach billigem Strom ist in der Mathematik der Bitcoin-Produktion begründet. Je höher der Bitcoin-Preis steigt, desto mehr Strom fressen die Computer, um im Wettbewerb mit anderen Herstellern kryptografische Aufgaben zu lösen und neue Einheiten der Kryptowährung zu schaffen. Deswegen werden die meisten Bitcoins in China produziert, wo vorderhand noch billiger Strom aus Kohle und Wasserkraft verfügbar ist. Wie lange das so bleibt, ist offen. Die chinesische Regierung bereitet strengere Vorschriften vor.
Auch in den USA droht den Bitcoin-Herstellern eine stärkere Regulierung. Im Staat New York können öffentliche Elektrizitätswerke höhere Stromtarife für Bitcoin-Anlagen einführen. Besonders umstritten ist ein Projekt in der Seenregion im nördlichen New York, die für ihre Weissweine und ihre landschaftliche Schönheit bekannt ist. Hier kaufte die Private-Equity-Gruppe Atlas Holding vor einigen Jahren ein stillgelegtes Kohlekraftwerk, das zum Abbruch bestimmt war.
Als Erstes wurde die Anlage auf Erdgas umgerüstet und letztes Jahr in eine sogenannte Bitcoin-Mine umgewandelt. Absicht ist, fast 30’000 Bitcoin-Rechner zu betreiben und dafür 80 Prozent des generierten Stroms anzuzapfen. Nur 20 Prozent gehen ins Netz. Der Strom ist billig. Letztes Jahr wurden 1186 Bitcoins zu einem Preis von je nur 2869 Dollar gewonnen, was bei einem Bitcoin-Preis von rund 35’000 Dollar einen enormen Gewinn verspricht.
Doch was gut ist für die Bitcoin-Mine, steht im Widerspruch zu den Klimazielen von New York: Bis 2040 will der Bundesstaat zu 100 Prozent auf nicht fossile Energien umstellen. Umweltschützer und Weinbauern
befürchten zudem, dass die Anlage zu viel erwärmtes Kühlwasser in den Seneca-See leitet und so eine Algenpest verursacht. Gouverneur Andrew Cuomo hat inzwischen das Umweltministerium eingeschaltet und will die Betriebsbewilligung rückgängig machen.
Auch in Montana dient ein Kohlekraftwerk inzwischen als Bitcoin-Fabrik. Nach Angaben der Betriebsgesellschaft können Bitcoins hier 38 Prozent günstiger produziert werden, weil Erdgas so billig ist. Interessant daran: Zu den Investoren gehört auch Blackrock, der grösste Vermögensverwalter der Welt. Der Gigant sieht sich als Promotor der Nullemissionsstrategie, was er erst kürzlich mit einem Misstrauensantrag gegen den Ölmulti Exxon betonte.
«Heute bestürmen sie uns. Sie wollen so rasch als möglich selber Bitcoins herstellen, bevor die Blase platzt.»
Noch einen Schritt weiter geht Wesco, eine unabhängige Gasförderfirma mit 500 Anlagen im Westen der USA. Sie bezahlt EZ Blockchain für die Installation und den Betrieb von Bitcoin-Minen, stellt aber Bitcoins selber her. Noch einmal anders geht Crusoe Energy in Colorado vor – die Firma installiert kostenlos Bitcoin-Anlagen und bezahlt die Fördergesellschaft für das Gas, behält aber die Bitcoins für sich. Sergii Gerasymovych, Chef von EZ Blockchain, sagt, dass die Energiebranche ihre Meinung komplett geändert habe. Noch vor zwei Jahren hätten sich die Unternehmen über die Idee der Blockchain-Produktion mit Erdgas lustig gemacht. «Heute bestürmen sie uns. Sie wollen so rasch als möglich selber Bitcoins herstellen, bevor die Blase platzt.»
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