Boris Becker im TV-Interview«Das Gefängnis hat mich zurückgeholt»
Eine halbe Million soll Sat 1 für das Gespräch bezahlt haben. Die Zuschauer bekamen einen Mann zu sehen, der sich geläutert gab, Anekdoten erzählte und «drinnen» zum Philosophen wurde.

231 Tage sass Boris Becker in den englischen Gefängnissen Wandsworth und Huntercombe. Es sind Erfahrungen, die den früheren Tennisstar geprägt haben und noch ganz frisch sind. Erst seit vergangenem Donnerstag ist er wieder auf freiem Fuss.
Er lernte Hunger kennen, magerte von 97 auf 90 Kilo ab, hatte Angst um sein Leben und musste sich einmal sogar gegen einen Angreifer wehren, der ihn töten wollte. Doch eines hat er nicht eingebüsst: sein Charisma.
Der 55-Jährige erzählte am Dienstagabend über seine Erlebnisse in Haft auf dem deutschen Privatsender Sat 1, dem das Exklusivinterview eine halbe Million Euro wert gewesen sein soll. Zu dieser war er im April verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren verheimlicht hatte. Zwischendurch brach er in Tränen aus, dann nahm er einen Schluck Wasser und sprach weiter. Das Bild, das er vermitteln wollte: Er hat einiges durchgemacht, doch er hat sich nicht brechen lassen und ist nun ein neuer Mensch. Oder wieder der alte, der er einmal war.
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«Als ich drinnen war, war es die schlimmste Zeit meines Lebens. Aber vielleicht habe ich das gebraucht.»
«Als ich drinnen war, war es die schlimmste Zeit meines Lebens», sagte er. «Aber vielleicht habe ich das gebraucht. Ich bin geläutert. Es gibt einen Grund für den Urteilsspruch. Ich habe über Jahre Fehler gemacht. Ich hatte falsche Freunde, war zu wenig gut organisiert, habe den falschen Leuten zugehört, habe mich treiben lassen, war faul, wurde bequem. Der Gefängnisaufenthalt hat mich zurückgeholt.»
Er habe sich, so der 55-Jährige, wieder entdeckt, wie er als Tennisspieler gewesen sei. Er habe wieder gelernt, im Moment zu leben, Prioritäten zu setzen, diszipliniert zu sein. «Jetzt darf ich diesen Weg nicht mehr verlassen. Ich habe eine zweite Chance bekommen. Es liegt an mir, diesen Weg weiterzugehen, mir weiter treu zu bleiben. Ich glaube, das Gefängnis war gut für mich.»

Was er sagte, wirkte wie geskriptet. Doch Becker ist auch in der Rolle des Ex-Häftlings so überzeugend, dass man ihm vieles abnimmt. Sogar, dass er sich im Gefängnis der Philosophie des Stoizismus verschrieben habe. «Man kann die meisten Dinge nicht kontrollieren, die eigenen Gedanken aber schon. Im Gefängnis musst du das lernen, um nicht wahnsinnig zu werden.»
Becker gab auch viele Einblicke in sein Leben in Haft. Zuerst war er vier Wochen im Auffanggefängnis Wandsworth. Die schlimmsten. Was da drinnen abgehe, könne man sich gar nicht vorstellen. «Das geht es jeden Tag ums nackte Überleben. Du musst aufpassen um deine Haut, denn die Wächter tun es nicht.»
Die Nächte seien ein Gräuel gewesen. Immer habe jemand geflucht, geschrien oder geflennt. Er sei sich vorgekommen wie im Irrenhaus, an Schlaf sei nicht zu denken gewesen. Sein Glück: Er hatte eine Einzelzelle, weil man um seine Sicherheit fürchtete.
Nach drei Monaten, nun in Huntercombe, 70 Kilometer ausserhalb von London, verbesserte sich seine Situation. Er wurde, inzwischen Fitnesscoach und Lehrer der Philosophie, in einem ruhigeren Trakt untergebracht. Doch im Oktober passierte es: Ein Mithäftling ging auf ihn los: «Er wollte mich umbringen. Er konnte nicht verstehen, dass ich so organisiert war, auch mit den Schwarzen, dass wir uns gegenseitig geholfen haben. Wie mit meinem Zellennachbarn Ike.»
Der Angreifer, der schon 16 Jahre im Gefängnis gesessen habe, weil er als 18-Jähriger zwei Menschen umgebracht habe, wurde dann aber von den Mithäftlingen gestoppt. «Er hatte unterschätzt, dass ich mittlerweile eine solche Position im Gefängnis hatte.» Tags darauf habe sich dieser vor ihm auf den Boden geworfen, sich entschuldigt und seine Hand geküsst. «Ich nahm ihn hoch, umarmte ihn und sagte, dass ich grossen Respekt vor ihm habe.»
«Man teilt, was man hat. Klamotten, Schuhe, Zucker, Salz, eine Cola. Das hat etwas, wie wenn man zusammen im Krieg war.»
Der Zusammenhalt im Gefängnis habe ihn beeindruckt, sagte Becker. «Man teilt, was man hat. Klamotten, Schuhe, Zucker, Salz, eine Cola. Das hat etwas, wie wenn man zusammen im Krieg war. Wenn man zusammen ums Überleben gekämpft hat. Das schweisst ein Leben lang zusammen.» Er habe vor, den Kontakt zu den engsten Mithäftlingen zu behalten.
Im Gegensatz zu den meisten anderen ist Becker nun raus aus dem Gefängnis. Von den zweieinhalb Jahren Haft musste er nur gut sieben Monate absitzen. Dank einer Sonderregelung für ausländische Häftlinge, mit der Platz in den überfüllten britischen Gefängnissen geschaffen werden soll. Wo er künftig lebe, wisse er noch nicht. Aber könne nun erstmals seit langem wieder darüber nachdenken, was er mit dem Rest seines Lebens mache.
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