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Reporterlegende und die Tennisstars
«Becker hat einen wahnsinnig gemacht»

Abschied als Tennisreporterin, aber nicht vom US Open: Doris Henkel in Flushing Meadows.
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Nicht nur Serena Williams und Andrea Petkovic treten ab am US Open, auch Doris Henkel. Nach 117 Grand-Slam-Turnieren. Ihre Langlebigkeit in diesem Sport ist eindrücklich, obschon sie selber nicht spielte: Henkel ist die Grande Dame des deutschen Tennisjournalismus.

Am French Open 1987 war sie erstmals vor Ort, für die «Süddeutsche Zeitung», und das passte ganz gut, weil da Steffi Graf ihren ersten von 22 Grand-Slam-Titeln gewann. Boris Becker hatte zwei Jahre zuvor mit seinem Wimbledon-Sieg als 17-Jähriger die deutsche Tennis-Euphorie ausgelöst. Die beiden so unterschiedlichen Champions wurden zu treuen Begleitern von Henkels Berufsalltag und ermutigten sie mit ihren Erfolgen, sich ab 1993 als freie Journalistin ganz aufs Tennis zu fokussieren.

Eine der ersten Frauen

Ursprünglich hatte sie an der Deutschen Sporthochschule in Köln Sport studiert, aber nicht abgeschlossen. Doch sie wollte schon immer Sportjournalistin werden. In den Siebzigerjahren gab es noch kaum Frauen in diesem Job, doch das kam ihr beim Einstieg sogar zugute. Als sie sich für ein Volontariat bewarb, schrieb der Redakteur zurück: «Eine Frau, die über Sport schreiben will, das hatten wir noch gar nie. Versuchen wir es.»

Ihre Faszination für den Sport, für Menschen und Geschichten offenbaren sich in ihren Texten. Sie sagt: «Ich versuchte, möglichst präzise und fein zu beschreiben, was ich empfinde und wahrnehme, damit die Leute vor dem Fernseher ein Gefühl dafür bekommen, was sich hier tut. Ich probierte, mit meinen Sätzen und Wörtern Bilder zu zeichnen, die etwas auslösten. Aber ich war nie die grosse Nachrichtenjägerin.»

«Becker hat einen zwar wahnsinnig gemacht. Aber man konnte schon ziemlich gut über ihn schreiben.»

Doris Henkel

Grand-Slam-Turniere mit dieser Fülle an unterschiedlichen Persönlichkeiten und Episoden, die sich während zweier Wochen abspielen, waren für sie wie geschaffen. Und mit Becker und Graf hatte sie von Beginn weg zwei prominente Figuren, die bewegten. «Becker hat einen zwar wahnsinnig gemacht», sagt sie schmunzelnd. «Aber man konnte schon ziemlich gut über ihn schreiben. Bei ihm war immer Action, grosse Oper und Drama.»

Bei Graf habe sie sich mehr einfallen lassen müssen. «Sie war bei allen Erfolgen doch ein sehr zurückhaltender Mensch, baute eine Mauer um sich auf. Da musste ich kreativ sein, um jedes 6:1, 6:0 noch blumig zu beschreiben. Aber ich war schon fasziniert von ihrer Konsequenz. Sie hatte ja auch kein leichtes Leben mit ihrem komplizierten Vater und der ganzen Geschichte wegen der Steuerhinterziehung. Und wie sie gespielt hat, das war wunderbar! Ich hätte sie gerne in ihrer Blüte gegen Serena Williams gesehen. Ich glaube, sie hätte gewonnen.»

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Graf hat den Sprung ins Leben nach der Karriere geschafft, lebt mit ihrem Mann Andre Agassi in Las Vegas. Derweil sitzt Becker wegen Insolvenzverschleppung in London im Gefängnis. Hat Henkel Mitleid mit ihm? «Irgendwie schon. Wenn du mit 17 als relativ unbedarfter Kerl so eine Welle auslöst, hast du keine grosse Chance, das unbeschadet durchzustehen. Aber er muss sich wie alle anderen verantworten dafür, was er getan hat. Ich hoffe einfach, dass er da einigermassen gut wieder rauskommt.»

«In den Hunderten von Pressekonferenzen mit Federer kann ich mich an maximal zwei erinnern, in denen er schroff war.»

Doris Henkel

Irgendwann kam dann Roger Federer, und Henkel schätzte sich glücklich, einen etwas direkteren Zugang zu ihm zu haben, weil sie inzwischen auch für Schweizer Zeitungen schrieb. «Becker walzte den Weg platt, Federer säte die Blumen am Wegrand», sagt sie mit ihrem Flair für Sprachbilder. «Federer pflegte nicht nur eine andere Spielweise, sondern auch eine andere Art, mit Menschen umzugehen. In den Hunderten von Pressekonferenzen mit ihm, die ich erlebt habe, kann ich mich an maximal zwei erinnern, in denen er schroff und richtig schlecht gelaunt war.»

Hätte sie sich manchmal gewünscht, Federer wäre Deutscher gewesen? Sie schmunzelt. «Nein, auf keinen Fall», sagt sie. «So wurde er nicht dem Tsunami ausgesetzt, der Becker erfasste. Und wir haben Federer ja ein bisschen vereinnahmt, weil er uns nur schon wegen der Sprache näher ist. Aber ich bin froh für ihn, ist er Schweizer. Da kann er ganz normal ins Schwimmbad oder spazieren gehen, das wäre bei Becker nie möglich gewesen.»

Die Ausführungen von Henkel werden von Christopher Kas unterbrochen, Coach von Jule Niemeyer, als Achtelfinalistin die beste Deutsche am US Open. «Und, hats geholfen?», fragt er. «Ja, herzlichen Dank», sagt sie. «Gut, bist du gekommen», sagt Kas und geht weiter. Der Physio von Niemeier habe ihr einige Übungen gezeigt, da ihre Hüfte schmerzte, erklärt sie. Manchmal stimmt es, wenn von der Tennisfamilie gesprochen wird.

Die ständige Hysterie stört sie

So sehr sie es genossen habe im Tenniszirkus in all den Jahren, sie sei im Reinen mit ihrer Entscheidung, abzutreten. Die ständige Aufgeregtheit, die in Zeiten der sozialen Medien auch auf die Journalisten übergeschwappt sei, stört sie. «Du bist ständig auf Sendung, und das führt dazu, Dinge zu übertreiben, aufzublasen, um bei diesem Tempo mitzuhalten. Früher hatte man mehr Zeit, um Dinge rauszufinden, zu recherchieren. Heute geht das alles zack, zack, zack! Mir ist das deutlich zu schnell.»

Ihre Liebe fürs Tennis bleibe aber. Sie hat vor, weiter jedes Jahr nach New York ans US Open zu reisen und sich Tickets zu kaufen. «Ich freue mich darauf, die Matches zu geniessen und mir nicht überlegen zu müssen: Was ist der Einstieg in die Story? Wie lautet die Headline? Wie viel Zeit habe ich noch? Ich kann wieder die sein, die ich einmal war: Ich kann auf der Tribüne sitzen, jemanden anfeuern, Beifall klatschen, nach Hause gehen und denken: Wow, war das ein tolles Spiel!»

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