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Neuer Bundesanwalt
Er war schon fast gewählt – dann hielt sein alter Feind eine Brandrede

Der Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot wollte die Bundesanwaltschaft übernehmen und reformieren: Doch die Gerichtskommission entschied gegen den 51-Jährigen und sucht nun nach neuen Kandidaturen.
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Niederlagen tun immer weh. Doch diese Niederlage muss besonders schmerzen. Am Mittwoch durften der Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot und Andreas Müller, Staatsanwalt des Bundes, damit rechnen, dem Parlament als Nachfolger von Bundesanwalt Michael Lauber zur Wahl vorgeschlagen zu werden. Ein mehrstufiges Auswahlverfahren samt eintägiger Eignungsprüfung lag hinter ihnen. Vor ihnen lag am Mittwochmorgen noch ein zweites und letztes Hearing mit der Gerichtskommission der Eidgenössischen Räte.

Statt eines Wahlvorschlags bekamen Jornot und Müller kurz nach dem Hearing einen Anruf der Kommissionssekretärin. Man werde die Stelle neu ausschreiben, ihre Kandidaturen seien nicht berücksichtigt worden, erfuhren sie. In der Medienmitteilung schrieb die Kommission: «Nach dem externen Evaluationsverfahren und der heutigen zweiten Anhörung ist sie zum Schluss gelangt, dass keiner der beiden Kandidaten sämtliche persönlichen und beruflichen Fähigkeiten mitbringt, die es heute für ein derart exponiertes Amt braucht.»

Jornots Anhörung endete bitter

Hätten es die Kandidaten nicht zumindest verdient, von Kommissionspräsident Andrea Caroni (FDP) persönlich über ihr Scheitern informiert zu werden? Der Ausserrhoder verneint und sagt, es sei «bei allen Kandidaturen für alle Funktionen und bei allen Arten von Resultaten» so, dass nicht er, sondern die Sekretärin anrufe. Später meldet er sich nochmals und schiebt nach, die Kandidaten würden seitens der Kommission noch einen Brief bekommen.

Der Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot war für diese Zeitung nicht erreichbar. Staatsanwalt Andreas Müller signalisierte, er wolle sich zu den Ereignissen nicht äussern.

Für Jornot endete die letzte Anhörung besonders bitter. Das zeigen Recherchen dieser Zeitung. Beim Assessment, das eine Berner Personalberatungsfirma durchgeführt hatte, soll er gut bis sehr gut abgeschnitten haben. Auch Mitbewerber Andreas Müller durfte mit seiner Leistung zufrieden sein. Jornot erhielt insbesondere in den Kategorien Verantwortungsbewusstsein, Loyalität und Kritikfähigkeit überdurchschnittliche Noten. Gute Fähigkeiten wurden ihm unter anderen im sogenannten Änderungsmanagement attestiert, was für kommende, unabdingbare Reformen innerhalb der Bundesanwaltschaft besonders wichtig wäre.

Die Prüfer kritisierten hingegen, der 51-Jährige sei bei der Umsetzung von Zielen wenig empfänglich für Widerspruch, wirke im Austausch distanziert und habe Mühe, seine Emotionen zu kanalisieren. Im gleichen Atemzug gab es aber Lob für seine ausgeprägte Fähigkeit, unabhängige Urteile zu fällen, seine Faktenbezogenheit und seinen Enthusiasmus, komplexeste Situationen anzugehen und Lösungen zu finden. Die Personalberatungsfirma empfahl Jornot nach dem Assessment für die Aufgabe unter dem Vorbehalt, dass er sich im zwischenmenschlichen Austausch verbessern könne.

Die Assessment-Schlussberichte der Kandidaten lagen am Mittwochmorgen auf den Pulten der Kommissionsmitglieder, als Jornot in seinem Hearing erleben musste, wie ihm der Genfer SVP-Nationalrat Yves Nidegger eine Art Prozess machte. In der Kommission war die Frage aufgeworfen worden, ob Nidegger wegen seiner spannungsvollen Beziehung zu Jornot nicht in den Ausstand treten müsse. Nidegger setzte zu einer längeren Rede an. Der Genfer Nidegger bezichtigte den Genfer Jornot unter anderem, sein Liebesleben innerhalb der Staatsanwaltschaft auszuleben. Jornot soll Nideggers Äusserungen ungerührt hingenommen und sich danach gegen die Anschuldigungen kurz und knapp verteidigt haben. Nidegger will sich zur Episode nicht äussern. Er unterstehe dem Kommissionsgeheimnis, schreibt er auf Anfrage.

«Der Verurteilte richtete seinen Henker.»

Nationalrat Christian Lüscher (FDP/GE)

Jornot und Nidegger verbindet eine lange Vorgeschichte. Generalstaatsanwalt Jornot hatte Anwalt Nidegger verurteilt, weil dieser mit seinem Auto einen Verkehrspolizisten gestreift hatte. Nidegger wiederum verzeigte Jornot später bei der Aufsichtsbehörde der Genfer Staatsanwaltschaft wegen Jornots Beziehung zu einer ihm unterstellten Staatsanwältin. Später reichte Nidegger noch eine Strafanzeige gegen Jornot ein. Er bezichtigte Jornot, ihm via eine gemeinsame Bekannte gedroht zu haben, er werde ihm als Anwalt vom Zugang den Genfer Gerichten ausschliessen.

Bei Jornots Bewerbung um das Amt als Bundesanwalt wurde dieser Streit wieder virulent. Als Mitglied der Gerichtskommission sass auch der Genfer Nationalrat Christian Lüscher (FDP) im Kommissionszimmer. «Wäre ich an Nideggers Stelle gewesen, hätte ich mich in der Kommission ersetzen lassen, und sei es nur, um den Anschein zu vermeiden, dass der Verurteilte seinen Henker richtet», sagte Lüscher der Zeitung «Le Temps» und nahm damit Bezug auf Nideggers Verurteilung durch Jornot. Doch Nidegger zog sich nicht zurück.

«Wer kandidiert, wird entweder gewählt oder nicht. Das ist bei uns Politikern auch so.»

Ständerat Andrea Caroni (FDP AR), Präsident der Gerichtskommission

Die Meinungen in der Kommission waren rasch gemacht. Man beschloss, dem Parlament weder Olivier Jornot noch Andreas Müller zur Wahl als Bundesanwalt zu empfehlen. Mussten die Kandidaten den Verlauf des Verfahrens nicht als erniedrigend empfunden haben, zumal die Kommission bereits mitten im Bewerbungsverfahren darüber abstimmte, die Stelle des Bundesanwalts neu auszuschreiben? Gerichtskommissionspräsident Andrea Caroni weist den Vorwurf zurück. Er sagt: «Wer kandidiert, wird entweder gewählt oder nicht. Er muss beide möglichen Resultate akzeptieren können. Das ist bei uns Politikern ja auch so. Erniedrigend ist allenfalls, was die Medien daraus machen.»

Für Olivier Jornot war die Rückkehr nach Genf jedenfalls bitter. Via die Medienstelle seiner Staatsanwaltschaft liess er verlauten, er hoffe, dass die Fortsetzung des Wahlprozederes es der Bundesanwaltschaft ermögliche, ihre Aufgaben mit der nötigen Unabhängigkeit und Gelassenheit zu erfüllen. Er selbst freue sich, «das Mandat, das mir die Genfer Bevölkerung anvertraut hat, mit Entschlossenheit und Enthusiasmus weiterzuführen».

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