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Kahlschlag bei den Hilfsgeldern
«Es braucht endlich ein klares Bekenntnis von Cassis»

Bundesrat Ignazio Cassis, rechts, spricht mit Patricia Danzi, Direktorin der Direktion fuer Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), links, nach einer Medienkonferenz ueber die Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025 bis 2028, am Mittwoch, 22. Mai 2024, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Die Schweizer Hilfswerke sind entsetzt. Der Entscheid sei fatal, schreibt ihre Organisation Alliance Sud in einer Mitteilung. Gemeint ist ein Entscheid vom Montag: Der Ständerat beschloss zusätzliche Gelder für die Armee – die Hälfte davon auf Kosten der Entwicklungshilfe. 

Würde die Entwicklungszusammenarbeit in diesem Ausmass gekürzt, hätte das verheerende Auswirkungen auf das internationale Ansehen der Schweiz, schreibt Alliance Sud. Die 500 Millionen Franken pro Jahr, die wegfallen würden, seien mehr als die gesamte Unterstützung der Schweiz für Afrika. Eine solche Kürzung würde bedeuten, dass jahrzehntelang aufgebaute Strukturen zerstört würden und dass die Schweiz internationalen Organisationen die Unterstützung entziehen müsste.

Im Nationalrat stand am Dienstag bereits ein weiterer Kahlschlag zur Debatte: Eine Halbierung der Entwicklungshilfegelder zur Finanzierung der 13. AHV-Rente. Diese Forderung wurde zwar abgelehnt. Die Kürzung zugunsten der Armee könnte aber auch im Nationalrat eine Mehrheit finden, wenn neben der SVP und der FDP eine Handvoll Mitte-Vertreter zustimmen. 

Fehlendes Engagement von Cassis

Die linken Parteien und die Mitte fordern nun mehr Engagement von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis, der für die Entwicklungshilfe zuständig ist. «Es braucht jetzt ein klares Bekenntnis von Cassis zur Entwicklungszusammenarbeit», fordert SP-Nationalrat Matthias Aebischer. 

EVP-Nationalrat Marc Jost erinnert daran, wie der frühere Aussenminister Didier Burkhalter – ebenfalls ein FDP-Bundesrat – die Entwicklungshilfe jeweils sehr engagiert verteidigt habe. «Das wünschte ich mir auch von Bundesrat Cassis», sagt Jost. Und Mitte-Ständerätin Marianne Binder kritisiert: «Plädoyers für die internationale Zusammenarbeit blieben bisher aus.» 

Mitte-Präsident Gerhard Pfister schreibt auf der Plattform X, die FDP habe im Ständerat praktisch geschlossen dafür gestimmt, dass im Aussendepartement die Gelder für die internationale Zusammenarbeit zusammengestrichen würden. «Entweder ist Ignazio Cassis in der eigenen Fraktion ein Nonvaleur, oder er unterstützt den Kurs seiner Partei.»

Die Mitte hat es in der Hand

Was Pfister verschweigt: Auch mehrere Mitte-Ständeräte haben dem Antrag von FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann zur Kürzung der Entwicklungshilfe zugunsten der Armee zugestimmt oder sich der Stimme enthalten. Hätte die Mitte geschlossen Nein gestimmt, wäre der Antrag abgelehnt worden. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth appelliert daher vor allem an die Mitte-Partei. Sie stehe nun in der Verantwortung. «Der Freisinn steht schon lange nicht mehr für die humanitäre Tradition ein», sagt Wermuth.

Cassis hatte am Dienstag im Nationalrat Gelegenheit, das Gegenteil zu beweisen. Er begnügte sich aber mit der Feststellung, die internationale Zusammenarbeit sei ein Beitrag zur Bekämpfung von Hungersnöten, Armut, der Folgen von Kriegen und des Klimawandels. «Diese können direkten Einfluss auf die Schweiz haben.» Zu den Kürzungsplänen äusserte sich Cassis nicht. 

Das liege daran, dass der Aussenminister die Entwicklungshilfe selber eher kritisch sehe, sagen Parlamentsmitglieder. Wäre das nicht der Fall, könnte er auf seine Partei einwirken. Das Aussendepartement wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Cassis-Verteidiger weisen aber darauf hin, dass er im Bundesrat für die nächste Periode trotz Sparrunden einen Entwicklungshilfe-Plan ohne Kürzungen durchgebracht habe. Nun sei das Parlament am Zug.

Ausgaben leicht gestiegen

FDP-Fraktionschef Damien Cottier sieht kein Problem darin, das Aufgabengebiet des eigenen Bundesrates ins Visier zu nehmen. Es gelte dort zu sparen, wo es möglich sei, sagt Cottier. Dabei berücksichtige die FDP auch die Entwicklung der Ausgaben in den vergangenen Jahren. 

Tatsächlich hat die öffentliche Entwicklungshilfe zuletzt zugenommen. 2023 zahlte die Schweiz rund 4,6 Milliarden Franken – 0,6 Prozent des Bruttoinlandeinkommens. Allerdings können dieser Quote auch Asylausgaben angerechnet werden. Ein Viertel des Geldes floss 2023 ins Asylwesen. Ohne die Berücksichtigung der Asylkosten nahmen die Ausgaben im Vergleich zu 2022 um 240 Millionen Franken zu. Dies vor allem wegen der Ukraine-Hilfe.

2008 hatten die Hilfswerke eine Petition mit über 200’000 Unterschriften eingereicht, die eine Erhöhung der Entwicklungshilfequote auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandeinkommens verlangte. Das Parlament beauftragte den Bundesrat 2011 schliesslich damit, die Quote auf 0,5 Prozent zu erhöhen. In den folgenden Jahren blieb die Schweiz allerdings oft unter diesem Ziel.