Corona-RestriktionenEngland steckt im Masken-Dilemma
Vom 19. Juli an soll niemand in England mehr eine Schutzmaske tragen müssen. Die Bevölkerung ist sich uneins: Ist das jetzt mutig oder verantwortungslos?
Auf dieses Zeichen haben viele Minister in London seit langem gewartet. Dass man in England vom 19. Juli an keine Masken mehr soll tragen müssen, ist für sie ein entscheidender Schritt in Richtung neuer Selbstbestimmung. Darum feiern sie den 19. Juli als «Freedom Day», als Freiheitstag.
Er werde «überhaupt keine Maske» mehr tragen, sobald das erlaubt sei, meint etwa Schatzkanzler Rishi Sunak. Genauso denken Wohnungsbauminister Robert Jenrick, der Masken «nie besonders gerngehabt» hat, und Umweltminister George Eustice, der es kaum erwarten kann, «diese Dinger loszuwerden». Selbst die für Pflege und Fürsorge zuständige Staatssekretärin Helen Whately ist sich nicht sicher, ob sie sich künftig in einem voll besetzten Zugabteil noch das Stückchen Stoff über Mund und Nase stülpen würde. Auf eine entsprechende Frage antwortete sie ausweichend: «Vielleicht.»
Vorsichtiger äussern sich der Premierminister selbst und Professor Chris Whitty, sein medizinischer Chef-Berater. Boris Johnson würde, «wo Gedränge herrscht», noch immer die Maske aus der Tasche ziehen. Whitty hält es ausserdem für angeraten, «aus reiner Höflichkeit» eine Maske aufzusetzen, wenn es jemand anderem unbehaglich sei, dass man keine trage.
«Runter mit den Masken!»
So viel Rücksichtnahme kann Whitty freilich nicht von jedem seiner Landsleute erwarten. Jüngst zogen schon Tausende von Demonstrierenden durch die Londoner Innenstadt, die verängstigte Maskenträger angrölten, sie sollten endlich aufhören, «solche Angsthasen» zu sein. «Runter mit den Masken!», riefen sie ihren Mitbürgern zu. Ähnlich empfinden es viele Tory-Politiker, denen Masken nicht einfach nur lästig sind, sondern die glauben, dass hier «elementare Bürgerrechte» missachtet werden, und das seit Monaten schon.
Allerdings hat sich die Regierung mit der angekündigten Aufhebung der Maskenpflicht vielerorts schon zornige Proteste eingehandelt. Busfahrer, Bahnpersonal, Verkäuferinnen und Verkäufer allerorten begehren auf. Ängstliche Rentner, Behinderte und Mitbürgerinnen mit schwachen Immunsystemen fürchten, dass sie sich nun erneut daheim «einigeln» müssen. «Warum», fragt der Gesundheitssprecher der oppositionellen Labour Party, Jonathan Ashworth, «sollen all diejenigen, die sich sorgen und sich abschirmen müssen, vom öffentlichen Verkehr und aus den Geschäften ausgeschlossen sein?»
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Sorge vor eigener Ansteckung ohne allgemeines Maskentragen scheint aber auch viele andere Inselbewohner zu plagen, beim gegenwärtigen steilen Anstieg der Infektionszahlen. Gemäss Umfragen des Yougov-Instituts befürworten zwei Drittel aller Erwachsenen im Land weitere Maskenpflicht beim Betreten von Geschäften oder anderen geschlossenen Räumen und bei der Fahrt in Bus und Bahn. Mehrere Labour-Bürgermeister in England haben angekündigt, dass sie versuchen wollen, dies für ihre Bereiche durchzusetzen.
Schottland und Wales, die ihre eigene Gesundheitspolitik verfolgen, warten einstweilen noch ab mit Entscheidungen. Londons konservative «Times» aber kommentierte die Lage jetzt mit einer Karikatur, auf der sich ein Mensch die Maske abnimmt, woraufhin eine muntere Schar von Viren ihm aus dem Mund segelt. Eins davon schreit begeistert: «Freedom Day!»
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