Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Wahlkampf in Grossbritannien
Nigel Farages Reformpartei ist auf dem Vormarsch

LONDON, ENGLAND - OCTOBER 7: Founding member and former Reform Party leader, Nigel Farage, speaks at the Reform Party annual conference on October 7, 2023 in London, England. The Reform Party was founded by members including Nigel Farage and its current leader is Richard Tice. (Photo by Chris J Ratcliffe/Getty Images)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Den britischen Konservativen beginnt es unheimlich zu werden. Nicht nur fallen sie immer weiter hinter die oppositionelle Labour Party zurück. Eine ganz neue Gefahr ist ihnen in jüngster Zeit auf der Rechten entstanden. Die von Nigel Farage gegründete rechtspopulistische Partei Reform UK hat begonnen, ihnen massenhaft Wähler abspenstig zu machen.

Und die nächsten Unterhauswahlen müssen von Tory-Premierminister Rishi Sunak noch dieses Jahr ausgerufen werden. Für die Konservative Partei, die sich stets als «die natürliche Regierungspartei» Grossbritanniens betrachtete, könnten sie zu einem Desaster werden.

Wegen des eigentümlichen Mehrheitswahlrechts auf den Britischen Inseln wäre es schon möglich, dass Labour auf eine Zweidrittelmehrheit der Sitze im Unterhaus käme. Der wirkliche Albtraum der Tories besteht aber darin, dass erstmals eine Partei von rechts sie bedroht und ihre Basis untergräbt.

Die neue dritte Kraft neben Tory und Labour

Tatsächlich sind die Konservativen in den Umfragen bereits auf unter 24 Prozent abgerutscht, während der Reformpartei 12 Prozent oder mehr gegeben werden. Damit ist Reform UK, noch vor den Liberaldemokraten und den Grünen, zur drittstärksten Partei im Vereinigten Königreich aufgestiegen.

Und der Trend hält weiter an. Zwar weiss die Partei, dass sie wegen der Wahlrechtstücken Millionen Stimmen auf sich vereinen und dennoch ohne einen einzigen Abgeordneten aus der Wahl hervorgehen könnte. Aber je weiter die Stimmung zu ihren Gunsten umschlägt, desto gefährlicher wird die Lage für Sunaks Partei.

Für viele Beobachter hat das Ganze eine fast schon kuriose Seite. Letztlich sei die Reformpartei ja doch nur ein relativ unerfahrener Verein mit minimalen Ressourcen, der sich ausnehme, als ob er «von halben Amateuren aus einem Pub gesteuert» werde, haben Spötter erklärt.

Ein prominenter Überläufer

Aber das beeinträchtigt nicht die Zuversicht der Rechtspopulisten, als Anti-Establishment-Kraft ein immer stärkeres Echo zu finden in der Wählerschaft – und bei den Tories selbst. Just diese Woche fanden sich die Reform-UK-Leute in ihrem Optimismus bestätigt, als der bisherige Tory-Abgeordnete Lee Anderson zu ihnen überlief. Immerhin war Anderson vor kurzem noch Vize-Generalsekretär der Konservativen Partei gewesen. Sunak selbst hatte ihn eingesetzt in dieses Amt.

Der Premier hatte gehofft, mit dem ruppigen Fürsprecher der Todesstrafe, Verächter von Sozialhilfeempfängern, Flüchtlingshasser und strammen Anti-Europäer entsprechende Wählerkreise in Mittel- und Nordengland einzubinden. Erst als Anderson verkündete, Sadiq Khan, der muslimische Labour-Bürgermeister Londons, werde «kontrolliert von Islamisten», ging das auch Sunak eine Spur zu weit.

An diesem Montag tauchte Anderson denn auch bei der Reformpartei auf, von deren Vorsitzendem Richard Tice er begeistert begrüsst wurde. Mit Anderson hat Reform UK nun seinen ersten Abgeordneten im Unterhaus – einen von seinen Gegnern gefürchteten Redner, dessen Namen jeder kennt. Mit seiner Migrationskritik passt Anderson bestens zur rechtspopulistischen Partei.

Um Migration geht es denn auch an erster Stelle im Programm der Reformpartei. Reform UK will alle «nicht unbedingt nötige» Zuwanderung nach England stoppen und zu diesem Zweck ein spezielles Immigrationsministerium einrichten.

«Unsinniger» Kampf gegen den Klimawandel

Die Partei fordert ausserdem den Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie eine weitere radikale Umsetzung des Brexit. Sie hält den Kampf gegen Klimawandel für unsinnig und verlangt einen Verzicht auf alle entsprechenden Zielvorgaben, weil diese «eine unfaire Bürde» darstellten für Steuerzahler und Verbraucher.

Generell steht die Reformpartei für raschen Steuerabbau – vor allem, wo es um Steuern geht, die von Unternehmen entrichtet werden müssen. Das hat sich schon mal, an der Spendenfront, ausgezahlt. 200’000 Pfund sind der Partei im Vorjahr aus den Pfründen des Klimawandelleugners Terence Mordaunt zugegangen, der früher die Konservativen unterstützte. Auch ein anderer Geschäftsmann, Jeremy Hosking, gibt heute Geld statt an die Tories an die Reformpartei.

Gut betucht ist, als Immobilienmillionär, natürlich auch Reform-UK-Chef Richard Tice selbst, den Briten vertraut von seiner prominenten Rolle in der Brexit-Kampagne. Tice übernahm die Leitung der Partei im März 2021 von Nigel Farage, der zuvor die Unabhängigkeitspartei (Ukip) und die Brexit-Partei geführt und Letztere, nach erfolgtem Brexit, Ende 2020 in Reformpartei umbenannt hatte. Ihr offizieller Name ist heute «Reform UK: The Brexit Party».

Kehrt Farage in die Parteiführung zurück?

Farage, der ebenfalls für den Sender GB News arbeitet, ist bis heute Ehrenvorsitzender der Partei – und Tice hat keinen Zweifel daran gelassen, das er für Farage seinen Platz räumen würde, sollte dieser wieder die Parteiführung übernehmen wollen. Kein anderer Politiker der britischen Rechten hat ein Profil wie Englands Top-Populist (lesen Sie hier über Farages Abenteuer im Dschungelcamp).

Bislang zögert Farage aber noch. Gegenwärtig verbringt er wieder viel Zeit in den USA. Dieses Jahr will er seinem «Freund» Donald Trump zum erneuten Sieg verhelfen. Der Reformpartei verhalf er immerhin schon zu einer britischen Version des erfolgreichsten aller Trump-Sprüche. Nämlich zum Slogan «Make Britain Great».