Einsam vor 50’000 MenschenSie treffen ins eigene Tor und werden zum Häufchen Elend
Wir erleben an den TV-Geräten, wie den Spielern an der EM in Deutschland rekordverdächtig viele Eigentore unterlaufen. Dem letzten Schützen aber winkt ein Happy End.
Wie lange fühlen sich diese vier Sekunden an? In denen man auf dem Rasen liegt, die Nase zwischen den Grashalmen, während die Nasenspitze vielleicht sogar die Erde berührt, umgeben von den Kollegen, mit denen man gerade versucht, ein EM-Spiel zu gewinnen, umgeben auch von 50’000 Menschen, die zuschauen und in diesem Moment entweder jubeln oder erstarren? Vier Sekunden, in denen man sich ziemlich einsam fühlen muss?
Solche vier Sekunden erlebt der Italiener und ehemalige Spieler des FC Basel Riccardo Calafiori nach seinem Eigentor gegen Spanien. In der 55. Minute fliegt eine Flanke des Spaniers Nico Williams in die Mitte, Álvaro Morata lenkt sie ab, dann fliegt der Ball an Calafioris linkes Knie und von dort ins eigene Tor. Calafiori sackt auf den Rasen, legt sich hin, die Nase zwischen den Grashalmen. Vier Sekunden Dunkelheit und Ruhe, bevor es weitergehen muss.
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Wie lange fühlen sich diese vier Sekunden an? Wir wissen es nicht, weil kaum jemand von uns auf diesem Niveau Fussball spielt oder gespielt hat. Aber wir wissen, dass Calafiori in bester Gesellschaft ist. 25 Spieler haben an Europameisterschaften Eigentore erzielt, 5 bereits in den ersten 18 Spielen des Turniers in Deutschland.
Diese EM ist auf dem Weg zum Eigentorrekord
Den Rekord hält das Turnier, das 2021 in mehreren europäischen Ländern stattfand. Elfmal spedierte ein Spieler den Ball ins eigene Tor. Einer davon ist der Schweizer Denis Zakaria, einziger Schweizer EM-Eigentorschütze der Geschichte. Er brachte im Viertelfinal die Spanier in der achten Minute in Führung.
Fabian Schärs abgelenkter Schuss gegen Schottland in der laufenden EM gilt übrigens deswegen nicht als Eigentor, weil der Schuss des Schotten auch ohne Schärs Aktion auf Yann Sommers Tor geflogen wäre.
Die Rekordzahl von 11 Eigentoren am Turnier 2021 stand nach 51 Partien. Heuer, nach 18 von 51 Partien, stehen wir bereits bei deren 5. Wenn das so weitergeht, bricht das Turnier in Deutschland diesen unrühmlichen Rekord.
Angefangen hat alles harmlos: Der Deutsche Antonio Rüdiger erzielte für die Schotten das Tor zum 1:4, zu einem Zeitpunkt also, da das Eröffnungsspiel längst zugunsten der Deutschen gelaufen war. Das zweite Eigentor des Turniers aber entschied gleich ein ganzes Spiel: Der Österreicher Maximilian Wöber erzielte das siegbringende 1:0 für die Franzosen.
Aus diesem Grund darf Calafiori auf ein Happy End hoffen
Mit dem dritten Eigentor des Turniers glich der Tscheche Robin Hranáč die Partie für die Portugiesen aus, die am Ende 2:1 gewannen. Das vierte Eigentor, jenes des Albaners Klaus Gjasula, brachte die Kroaten in Führung. Gjasula machte seinen Fehler wieder gut, indem er in der Nachspielzeit ausglich. Sein Tor nach 94 Minuten und 23 Sekunden war übrigens der späteste Ausgleichstreffer, der je an einer EM erzielt wurde.
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Wegen seiner Folgen ist das berühmteste Eigentor der Fussballgeschichte jenes des Kolumbianers Andrés Escobar, einst Verteidiger bei den Young Boys. An der Weltmeisterschaft 1994 traf er gegen die USA ins eigene Tor. Kolumbien schied aus. Zehn Tage nach seinem Eigentor wurde Escobar von einem Mann mit Verbindungen zu den Drogenkartellen ermordet.
Aber weg von diesem dunklen Kapitel und zurück zu Calafiori. Der 22-jährige Innenverteidiger des FC Bologna ist erst der zweite Italiener, der an einer Europa- oder Weltmeisterschaft ein Eigentor erzielt. Der erste war Cristian Zaccardo an der WM 2006.
In dieser Geschichte liegt der kleine Trost für Calafiori: Die Italiener wurden 2006 drei Wochen nach Zaccardos Eigentor Weltmeister.
(Mitarbeit: Matti Münger)
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