Parlament unterstützt InitiativeZürich will vier Wochen mehr Elternzeit
In der Schweiz soll die bezahlte Elternzeit für Familien verlängert werden. Ein Kompromiss aus der Mitte erhält Unterstützung vom Zürcher Kantonsrat.
Nach einigen Jahren Pause ist am Montag die Elternzeit im Kantonsrat wieder ein Thema gewesen. Angerissen hat die Debatte die Mitte.
Im Oktober 2021 hatte sich das Parlament deutlich gegen die Unterstützung einer SP-Volksinitiative ausgesprochen, welche eine Elternzeit von 18 Wochen pro Elternteil wollte. Und auch ein etwas moderaterer Vorschlag für 14 Wochen scheiterte mit 82 zu 81 Stimmen.
Ausschlaggebend für das doppelte Nein war die GLP gewesen, welche nicht nur die SP-Initiative, sondern auch den Gegenvorschlag abgelehnt hatte, obwohl die Partei auf nationaler Ebene eine Elternzeit von 14 Wochen fordert.
Damals beteuerte GLP-Kantonsrätin Claudia Hollenstein (Stäfa), ihre Partei sei nicht gegen eine grosszügigere Elternzeit, sondern lediglich gegen eine Zürcher Speziallösung. Man werde sich auf nationaler Ebene dafür einsetzen, versicherte sie.
Die SP-Initiative scheiterte ein Jahr später auch in der Volksabstimmung. Nur gerade ein Drittel der Bevölkerung wollte einen Ausbau der Elternzeit auf total 36 Wochen. Damit blieb es bei bezahlten 14 Wochen Mutterschafts- und 2 Wochen Vaterschaftsurlaub.
Nur zwei flexible Wochen
Nun hat Yvonne Bürgin (Mitte, Rüti) einen weiteren Anlauf unternommen, die Elternzeit auszubauen. Sie fordert eine Elternzeit von total mindestens 20 Wochen, allerdings nicht nur im Kanton Zürich, sondern in der ganzen Schweiz.
14 Wochen davon müssten weiterhin die Mütter beziehen, 4 Wochen die Väter. Die restlichen 2 Wochen könnten die Eltern selber unter sich aufteilen. Mit diesem flexiblen Teil wolle sie der Vielfalt der Familienmodelle und Lebensformen gerecht werden, schreibt Bürgin in der Begründung zu ihrem Vorstoss.
Weil Zürich nicht allein über eine nationale Initiative entscheiden kann, verlangt Bürgin die Einreichung einer Standesinitiative, mit der Zürich das Bundesparlament zum Ausbau der Elternzeit auffordert.
Bürgins Vorschlag entspricht dem, was die GLP schon 2021 gefordert hatte: eine national geregelte Elternzeit. Darum hat Claudia Hollenstein Bürgins Initiative mitunterzeichnet, obwohl diese nur 20 Wochen verlangt und nicht 28 Wochen, wie es die nationale GLP gerne hätte, und schon gar nicht 38 Wochen, wie es die Eidgenössische Kommission für Familienfragen wünscht.
Hollenstein betonte in der Debatte denn auch, Bürgins Initiative sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit der Standesinitiative müsse man den eidgenössischen Räten das Zeichen geben, endlich etwas zu tun. «Zerbröckeln wir die alten Rollenbilder», sagte Hollenstein pathetisch.
«Baby-Veränderung»
Bei den Grünen konnte sie damit nicht punkten. «Mit dieser Baby-Veränderung wird die Schweiz im Elternzeit-Ranking keinen Platz nach vorne kommen», sagte Selma L’Orange-Seigo (Zürich). Die heutige Elternzeit müsste nach ihrer Meinung mindestens verdoppelt werden.
L’Orange-Seigo nannte als Beispiel die Lösungen in den skandinavischen Ländern, wo die Elternzeit teilweise zehnmal länger sei als in der Schweiz. Die Grüne erinnerte daran, dass Bürgin seit kurzem Nationalrätin sei und den Elternzeit-Vorstoss direkt einreichen könnte. Das habe sie allerdings noch nicht getan.
Trotz der Kritik unterstützten die Grünen die Einreichung einer Standesinitiative, weil es besser sei als nichts.
Auch die SP stimmte für den Vorstoss, weil die Elternzeit ein Uranliegen der Sozialdemokraten sei, wie Brigitte Röösli (Illnau-Effretikon) sagte. Ein Nein gab es von der Alternativen Liste, weil dieser minimalistische Vorstoss es nicht verdiene, wie Lisa Letnansky (Zürich) sagte.
81 Stimmen reichten
Ein grundsätzliches Nein gab es von der SVP. Ein Ausbau der Elternzeit widerspreche der Arbeitgeberfreiheit, sagte Patrick Walder (Dübendorf). Zudem sei der Vorstoss für die Befürworter überflüssig, da im Nationalrat bereits diverse Elternzeit-Anliegen auf der Traktandenliste stünden. Walder meinte deshalb: «Diese Initiative ist extrem und eine Zumutung.»
Nein sagt auch die FDP. Sprecher Jörg Kündig (Gossau) liess offen, wie er dem Ausbau der Elternzeit grundsätzlich gegenübersteht. Er meinte einzig, es sei nicht bewiesen, dass die Elternzeit gegen den Fachkräftemangel wirke, wie es die Befürworter behaupteten. Die Standesinitiative bezeichnete Kündig als unnötige Symbolpolitik.
Schliesslich unterstützte der Kantonsrat Bürgins Initiative mit 81 Stimmen vorläufig – nötig waren dafür 60 Stimmen. In der definitiven Abstimmung in einigen Wochen wird es im 180-köpfigen Kantonsrat dann knapp werden.
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