Einst war er König, jetzt lebt er wie ein Häftling
Der Brasilianer Pelé leidet an Depressionen und kann sich nur noch mit dem Rollator fortbewegen. Dafür schämt er sich.
Viele erinnern sich noch an diesen Pelé, der mit dem Ball verrücktere Dinge anstellen konnte als alle anderen. Der über 1000 Tore schoss. Sie erinnern sich an einen jungen Mann, der von seinen Teamkollegen mit dem WM-Pokal in der Hand auf Schultern getragen wurde. An einen, der Rekorde aufstellte. Sie sagen: Er ist der Beste aller Zeiten. Von seinen Heldentaten können sie oft nur erzählen, weil es viele nicht auf Video gibt. Das stärkt den Mythos.
Andere kennen Pelé als etwas älteren Mann. Als einen, der immer wieder auftaucht, wenn die grosse Fussballbühne ihre Galas abhält. Der dabei meist irgendeinen Preis in der Hand hält, oft für ihn selbst, zum Teil aber auch, um ihn an Spieler anderer Generationen zu vergeben. Der aber auch gerne kritisiert und austeilt. Sie erinnern sich an einen, der erst lange nach seiner Karriere über den Sport hinaus zur Marke wurde, weil es früher solche Marken nicht gab, kein CR7, kein LM10.
«Er lebt beinahe wie ein Häftling»
Der Pelé der Alten und der Pelé der Jungen, sie hatten gemeinsam, dass sie gerne und oft lachten. Nun, so schreiben es viele Medien auf der ganzen Welt, lacht Edison (er besteht auf Edson) Arantes do Nascimento kaum mehr. Er ist auch nicht mehr an all diesen Festen anzutreffen. Er soll sich nicht mehr aus dem Haus trauen, er leide an Depressionen. Edinho, eines von Pelés sieben Kindern, sagt in einem Interview mit dem brasilianischen TV-Sender Globo: «Er hat sich zurückgezogen.» Sein Vater sei beschämt.
Grund für diese Scham ist Pelés Gesundheitszustand, dieser hat sich verschlechtert. Schon lange ist er nur noch im Besitz einer Niere, er litt an einer Harnwegsinfektion und musste eine Prostata-OP über sich ergehen lassen. Er hat Probleme mit der Wirbelsäule, der Hüfte und den Knien. Pelé wird im Oktober 80, er kann sich offenbar nur noch mit einem Rollator fortbewegen. Edinho sagt, sein Vater war der König, «jetzt lebt er beinahe wie ein Häftling».
Es ist kaum vorstellbar. Er, der das erste Phänomen der Fussballwelt war, der ganz ohne die sozialen Medien weltweite Berühmtheit erlangte, ausgerechnet er will nicht, dass ihn die Leute sehen.
180'000 Fans im Stadion
Pelé war auf dem Fussballfeld eine Ausnahmeerscheinung. Mit 16 debütierte er in der brasilianischen Nationalmannschaft, bei der WM 1958 ging sein Stern auf. In Schweden war das, er schoss sechs Tore. Da war er noch nicht einmal 18. Er ist bis heute der jüngste Torschütze der Seleçao, er gewann die Weltmeisterschaft nach Schweden noch weitere zwei Mal, 1962 in Chile und 1970 in Mexiko. Das schaffte sonst keiner. In Brasilien nennen sie ihn ganz einfach «O Rei», der König.
Pelé spielte während fast seiner ganzen Karriere für Santos, seinen Heimatverein. Er machte den Club zum zwischenzeitlich wohl besten der Welt. Zwei Jahre stand er dann noch bei New York Cosmos unter Vertrag, gemeinsam mit Franz Beckenbauer. 1977 war Schluss, Pelé beendete seine Karriere nach 1363 Spielen und 1281 Toren. Von der brasilianischen Nationalmannschaft verabschiedete er sich sechs Jahre davor. 180'000 kamen ins Maracaña, um ihn zu sehen.
Maradona und Romario stichelten
Nach seiner Karriere probierte Pelé so einiges. Er machte Werbung für Potenzmittel, versuchte sich in der Politik, war zwischen 1994 und 1998 gar Brasiliens Sportminister. Er ist seit 2016 zum dritten Mal verheiratet. Er hat sieben Kinder, eines davon (der eingangs erwähnte Edinho) rutschte in die Kriminalität ab und wurde wegen Geldwäsche und Drogenhandels zu zwölf Jahren Haft verurteilt, ist mittlerweile aber wieder auf freiem Fuss.
Pelé gewann nach seiner Karriere etliche Preise. Das Internationale Olympische Komitee kürte ihn zum Sportler und die Fifa zum Fussballer des 20. Jahrhunderts. 2013 erhielt er den Ballon d'Or für sein Lebenswerk. Er vergoss Tränen auf der Bühne.
Er geriet aber auch mit anderen Legenden des Spiels und deren wichtigen Funktionären aneinander. Der frühere Fifa-Präsident João Havelange sagte, er wolle nicht, dass kommende Generationen Pelé kennen, nachdem dieser Ricardo Teixeira, damals Präsident des brasilianischen Fussballverbands und zufällig Havelanges Schwiegersohn, der Korruption beschuldigt hatte. Der Argentinier Diego Maradona sagte einst über Pelé, er gehöre ins Museum. Der Brasilianer Romario fand, Pelé sei ein Poet, wenn er schweige.
Dass Pelé auch ganz gut mit Worten umgehen konnte, wenn er nicht schwieg, bewies er, als er den Unterschied zwischen zwei Persönlichkeiten beschrieb: «Der Bürger Edson Arantes do Nascimento hat alle Höhen und Tiefen des Lebens gemeistert, gelacht, geweint, viele Schmerzen erleiden müssen, viele Triumphe ausgekostet. Er ist sterblich. Pelé ist dagegen unsterblich, wird immer der Traum aller Kinder bleiben, wird immer strahlen, wird nie Schmerzen empfinden müssen.» Pelé ist wieder zu Edson geworden.
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