Kolumne «Tribüne»Eine unerwartete Frage
Berthold W. Haerter, Pfarrer in Oberrieden, über einen Arztbesuch und seine Folgen.

In letzter Zeit musste ich einige Ärzte aufsuchen. Bei wiederholten Konsultationen entsteht eine gewisse Vertrautheit. Ein Arzt erkundigte sich beiläufig nach meinem Beruf. Am Ende der nächsten Sitzung fragte er mich: «Wie erkläre ich meinen Kindern, wer Jesus ist?»
Dann begann er zu erzählen. Sie seien als Familie in einer Kirche gewesen. Dort sei Jesus auf einem grossen Altarbild abgebildet gewesen. Die Kinder, beide im Vorschulalter, hätten das Bild eingehend betrachtet und dann gefragt: «Wer ist denn das? Ist das Gott?» – «Nein, das ist Jesus», meinte der Vater, und dann kam die Frage der Kinder: «Wer ist Jesus?»
Eigentlich steckt die Antwort in der Frage der Kinder. Jesus ist Gott. Jesus zeigt uns mit seinem Leben, wie Gott zu uns ist, aber auch, was Gott von uns erwartet. Jesu Tod und Auferstehung zeigen, dass Gott auch im schlimmsten Leiden bei jedem von uns ist, und doch eine Zukunft, ein Neuanfang im Leben oder nach dem Leben ermöglicht.
Die Eltern hätten dies so kaum ihren Kindern erklären können. So empfahl ich dem jungen Vater: «Wenn Sie Ihren Kindern erklären wollen, wer Jesus ist, dann müssen Sie ihnen biblische Geschichten erzählen.» In der Geschichte vom barmherzigen Samariter zum Beispiel gibt Jesus uns den Auftrag, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und jeder oder jedem zu helfen, der uns braucht. In der Geschichte von den zwei Söhnen erzählt Jesus, dass Gott für jeden von uns zu jeder Zeit da sein will. Er wartet auf uns. Es wird auch erklärt, was Liebe ist. In der Geschichte von dem Mädchen, das Jesus heilt, zeigt er uns, dass bei Gott Dinge möglich sind, die wir für ziemlich unwahrscheinlich halten und die unser rationales Denken sprengen. Aber im Vertrauen zu Gott beziehungsweise Jesus ist vieles möglich.
Einige von uns haben diese biblischen Geschichten in der Sonntagsschule kennen gelernt. Andere kennen sie nicht. Aber es gibt Bilderbibeln. Eine solche habe ich meinem Arzt dann empfohlen. Für Erwachsene gibt es gut verstehbare Bücher mit biblischen Geschichten.
Unsere Ethik beruht auf diesen biblischen Geschichten. Vernachlässigen wir diese Grundlagen, die zum Nachdenken und Handeln anregen, werden die Mitmenschlichkeit und unser Zusammenleben schwieriger und kälter.
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