Cecilia Bartoli im Opernhaus ZürichEine Orgie der Klischees
Die Sänger in der neuen Produktion von Rossinis «L’italiana in Algeri» sind grossartig. Die Inszenierung ist es nicht.
Trottelige Machos, eine ebenso schöne wie schlaue Frau, eine hanebüchene Intrige: Man kann nicht behaupten, dass Rossinis «L’italiana in Algeri» zu den subtilsten Werken der Operngeschichte gehört. Und wenn die Protagonistin auf einem Dromedar auf die Zürcher Bühne gefahren wird, das sichtbar Gase entweichen lässt, wird klar: Auch diese Aufführung macht kein Kabinettstück der tiefenpsychologischen Feinheiten daraus.
Zum Glück ist es Cecilia Bartoli, die da auf dem Dromedar sitzt, eine Sängerin also, die weiss, wie Komödie geht. Ist sie einmal abgestiegen, ist sie nicht mehr zu bremsen: Sie schmachtet und schmollt und keift und kokettiert so, dass sie nicht nur den männlichen Figuren, sondern auch dem Publikum den Kopf verdreht.
Und noch eine Qualität hat sie: Sie sucht nicht die One-Woman-Show, sondern besteht auf starken Mitsängern respektive Liebhabern. Hier hat sie gleich drei davon: Lawrence Brownlees Lindoro ist ein überaus sympathischer Mensch, der selbst die Schnellstsing-Koloraturen mühelos und akzentfrei bewältigt. Der Mustafà von Ildar Abdrazakov ist dagegen die personifizierte Midlife-Crisis: Er hat genug von seiner Frau (obwohl Rebeca Olvera wirklich schön singt), also will er sich diese Italienerin angeln – ohne zu merken, dass sie keineswegs die Liebe im Kopf hat, wenn sie sich ins Schaumbad setzt.
Und dann ist da noch Nicola Alaimo als Taddeo, ein Opfer aller anderen, der mit quietschrosa Trainingsanzug und warmem Bariton gleich bei seinem Debüt auf dieser Bühne zum Publikumsliebling avanciert.
Hört man dazu noch die spritzige Interpretation des Orchestra La Scintilla Zürich unter Gianluca Capuana, wäre das Glück perfekt – wenn da nicht die Inszenierung wäre. Bartolis Lieblingsregisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier haben sie bereits 2018 für die Salzburger Pfingstfestspiele ausgetüftelt, ohne dass ihnen allzu viel in den Sinn gekommen wäre.
Verräterischer Fehler
So bleibt es bei einer lustvollen, aber ziemlich absehbaren Orgie der orientalischen und italienischen Klischees: Wasserpfeife und Spaghetti, Waffen und Calcio – alles da. Was dagegen fehlt, ist jene Präzision und Schärfe, die man eben erst in der Wiederaufnahme von Rossinis «Il turco in Italia» in der Inszenierung von Jan Philipp Gloger wieder erleben konnte.
Wo dort jede Geste trifft, wirbeln hier minutenlang die Fauteuils durch den Raum. Wo eine bissige Aktualisierung nicht nur möglich, sondern fast schon obligatorisch wäre, sieht man nur Klamauk. Und dass im Video zum Loblied auf die italienischen Frauen die Schwedin Anita Ekberg in den Trevi-Brunnen steigt, ist ein verräterischer Fehler. Da braucht es tatsächlich eine Cecilia Bartoli im Schaumbad, um ihn auszuwetzen.
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