Gastkommentar zu EizellenspendeEine Legalisierung stoppt den Reproduktions-Tourismus nicht
Schweizer Wunscheltern sollen für eine Eizellenspende nicht mehr ins Ausland reisen müssen. Vergessen geht dabei die oft prekäre Situation der Spenderinnen.
Am Donnerstag debattiert der Nationalrat über die Motion «Kinderwunsch erfüllen, Eizellenspende für Ehepaare legalisieren». Auf Basis unserer langjährigen Forschung in verschiedenen Ländern zu Eizellenspende und Leihmutterschaft möchten wir hier auf die Frauen aufmerksam machen, welche ihre Eizellen «spenden».
In unserer Forschung sind wir etwa auf folgende Geschichten gestossen: Da ist eine spanische Studentin, die für die Bezahlung der hohen Miete in Barcelona nicht mehr bei ihren Eltern anklopfen wollte; eine alleinerziehende Mutter in Mexiko, welche ihre Arbeit verloren hatte und mit regelmässigen Eizellenspenden für ihre Kinder aufkam; oder aber eine drogenabhängige Frau aus Valencia, welche ihre Entzugstherapie und später Psychotherapie während Jahren mit der Eizellenspende finanzierte. Die Biografien und Motivationen der Spenderinnen waren sehr verschieden. Allen gemein war, dass für sie die Eizellenspende eine Option darstellte, um in einer finanziell prekären Situation zu überleben.
In Bezug auf die Spenderinnen sollte nicht vergessen werden, dass diese im Gegensatz zur Samenspende ein aufwendiges und risikoreiches Unterfangen ist. Die Eizellenspende bedarf einer hormonellen Stimulation sowie einer Vollnarkose für die Extraktion der Eizellen. Damit gehen nicht nur unmittelbare, sondern auch längerfristige Risiken einher, so etwa ein gesteigertes Krebsrisiko. Aufgrund dessen wird die Bereitschaft von Frauen mit gesichertem Einkommen gering sein, ihre Eizellen zu spenden.
Bevor wir den Schutz der Spenderinnen nicht sicherstellen können, sollten wir von einer Legalisierung absehen.
Ähnlich wie im Fall der Care- und Sexarbeit ist zu erwarten, dass vor allem Frauen aus dem Globalen Osten und Süden, die entweder bereits in der Schweiz leben oder extra für die Entnahme ihrer Eizellen in die Schweiz reisen, die zukünftigen Spenderinnen sein werden. Wenn die Spende als Form der reproduktiven Arbeit anerkannt werden soll, braucht es eine angemessene finanzielle Entschädigung.
Aber wenn diese «Entschädigung» dem Aufwand und vor allem dem Risiko angemessen sein soll, dann wird dieser Betrag für Frauen aus dem Ausland mehreren Monatslöhnen entsprechen. Damit werden Anreize geschaffen für eine Mobilität von reproduktiven Arbeiterinnen aus Niedriglohnländern, welche ihre Eizellen in der Schweiz veräussern werden. Wenn sie in ihr Heimatland zurückreisen, werden die dortigen öffentlichen Gesundheitssysteme für allfällige (Langzeit-)Folgen und deren Kosten aufkommen müssen.
Die Eizellenspende in der Schweiz zu legalisieren soll den reproduktiven Tourismus nach Spanien oder Tschechien unterbinden. Den Schweizer Wunscheltern wird damit der Zugang zur Eizellenspende erleichtert. Spenderinnen, aber auch Eizellen und Embryonen werden jedoch weiterhin die Grenze überqueren, um die Nachfrage in der Schweiz zu sättigen.
Der «Reproduktionstourismus» geht also weiter, nur in einer anderen Form. Um die Rechte und die Gesundheit von Eizellenspenderinnen zu gewährleisten, braucht es deshalb ein europäisches Abkommen. Dieses sollte die Rechte der Eizellenspenderinnen und die gesundheitlichen Folgeschäden auch in den Jahren nach der Spende absichern. Bevor wir nicht sicherstellen können, dass die Rechte und die Gesundheit der Spenderinnen geschützt sind, sollten wir von einer Legalisierung absehen.
*Carolin Schurr ist ausserordentliche Professorin am Geographischen Institut der Universität Bern. Laura Perler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Geographischen Institut der Universität Bern.
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