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0:3-Pleite im zweiten Euro-Match
Eine italienische Lehrstunde für die Schweiz

Vor Ricardo Rodriguez’ Augen: Italiens Doppeltorschütze Manuel Locatelli wird von seinen Teamkollegen beinahe erdrückt.
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Und das Verrückte nach diesem Abend ist: Die Schweizer haben noch immer Chancen, sich für die Achtelfinals zu qualifizieren. Ja, dafür brauchen sie am Sonntag in Baku einen Sieg gegen die Türkei. Die Türkei, das zeigt die Niederlage gegen Wales, ist alles andere als eine Übermacht. Aber der Abend im Römer Olympiastadion hat für die Mannschaft von Vladimir Petkovic eine Lehrstunde gebracht. Dass sie am Ende nur 0:3 verliert, ist das Gute an der Niederlage. Es könnte auch ein 0:5 oder 0:6 sein, mit gutem Willen vielleicht 1:6, weil Zuber eine Chance gehabt hat.

Drei Tage haben die Schweizer Zeit, sich davon zu erholen, von diesem bitterbösen Erlebnis gegen eine überragende Mancini-Maschine. Und rechtzeitig zu einer Einheit zu finden, die endlich erkennt, woraus ein Fussballspiel vor allem besteht: aus Leidenschaft und Laufbereitschaft. Als das Spiel eine Viertelstunde alt ist, fängt die Fernsehkamera den Blick von Vladimir Petkovic ein. Und dieser Blick drückt nur eines aus: Besorgnis, tiefe Besorgnis. Der Trainer muss mitansehen, wie sehr seine Spieler unter Druck geraten sind und wie die Gefahr mit jeder Minute wächst, dass ein Tor fällt.

In den ersten Minuten haben sie noch gut ausgesehen, sie fangen durchaus mutig an und lassen den Ball gut laufen. Granit Xhaka grätscht gegen Berardi, Fabian Schär schlägt den Ball weit in die gegnerische Platzhälfte auf Breel Embolo. Das ist der Spieler, der die italienischen Zeitungen im Spiel gegen Wales so sehr beeindruckt hat. Jetzt aber schafft er es nicht, sich an Giorgio Chiellini vorbeizuarbeiten. Er bleibt an dem einen grossen alten Mann im Abwehrzentrum hängen. Es ist eine Szene mit Symbolcharakter. Je näher das gegnerische Tor kommt, desto kraft- und chancenloser sind die Schweizer.

Als Italien ernst macht

Zehn Minuten lassen die Italiener den Gast gewähren, dann haben sie genug und ziehen das Tempo an. Und wie sie auftreten, ist nur eindrucksvoll. Sie haben Dynamik im Spiel, eine gesunde Körperlichkeit, eine enorme Laufbereitschaft, und sie haben, das vor allem, ganz, ganz viel Leidenschaft. Da ist der Hunger, der sie rennen lässt. Das Adrenalin pumpt in ihren Körpern und treibt sie an, wie das Leonardo Bonucci, der zweite Grosse neben Chiellini, am Vortag beschrieben hat.

Leonardo Spinazzola ist einer dieser Laufmaschinen im Team von Roberto Mancini. Mit seiner Athletik und dem Durchsetzungsvermögen überfordert er die Schweizer immer wieder. Manuel Locatelli ist ein anderer Spieler, der sich auf einem Niveau bewegt, wie es sich die Schweizer nicht einmal erträumen können. Es gibt Nicolo Barella oder Domenico Berardi, auch er von Sassuolo wie Locatelli, einem Club abseits der grossen Scheinwerfer der Serie A.

Nach knapp 20 Minuten tritt Lorenzo Insigne einen Corner in die Mitte. Da rammt der eine Blondschopf den anderen um, Xhaka also Manuel Akanji. Und Chiellini drückt den Ball über die Linie. Der VAR beendet den italienischen Jubel. Chiellini ist der Ball an die Hand gesprungen. Das bremst die Italiener nicht, Xhaka lenkt einen Ball direkt zu Locatelli. Der schlägt ihn entschlossen auf die rechte Seite. Da ist Berardi, der loszieht, Rodriguez überfordert und den Ball quer legt. Und auf einmal steht da Locatelli – nach einem 60-m-Sprint. Remo Freuler hat den Versuch aufgegeben, ihm zu folgen. Locatelli vollendet den Angriff, den er selbst ausgelöst hat, mit dem 1:0. Es ist ein traumhafter Treffer.

Akanji muss einen Heber von Insigne, diesem kleinen, extravaganten Flügel, auf der Torlinie klären. Spinazzola spitzelt einen Ball am hinteren Pfosten vorbei. Die Pause kommt zum richtigen Zeitpunkt für die Schweiz.

Italien zeigt, was gross ist

Lange ist es her, dass sie derart überfordert war. Sieben Jahre sind es genau, seit das letztmals der Fall war – beim 2:5 an der WM in Brasilien gegen Frankreich. Seither haben sie das Gefühl, dass sie im Vergleich mit den grossen Mannschaften gewachsen ist. Was wirklich gross ist, zeigt Italien an diesem herrlichen Abend.
Und da ist keiner besser als Locatelli. Barella hat alle Zeit, den Ball aufzulegen, Locatelli hat alle Zeit, aus 18 Metern abzuziehen. Sein Schuss landet in der linken Ecke von Yann Sommers Goal, Freuler und Elvedi sind nur verängstigte Zuschauer gewesen.

Das ist das 2:0 nach 52 Minuten. Und wer jetzt noch das Gefühl hat, die Schweizer könnte eine wundersame Wende gelingen, glaubt an den Mann im Mond. Die Italiener können sich begnügen, das Spiel zu verwalten, und sie können es sich leisten, zahlreiche gute Konterchancen nicht erfolgreich abzuschliessen, bis ihnen durch Immobile doch noch mit tatkräftiger Hilfe von Sommer das 3:0 gelingt. Am Ende haben sie sechs Kilometer mehr auf dem Tacho. Allein das zeigt, wie viel mehr an Passion sie auf dem Platz entwickelt haben.
Und die Schweizer? Schlecht sind viele, eigentlich alle, und ein paar sind noch schlechter. Das sind gerade die, welche die Mannschaft tragen sollten.

Granit Xhaka kann das vermeintliche 0:1 von Giorgio Chiellini nicht verhindern.

Xhaka, der Captain: Er ist auch mit blonden Haaren nicht besser, nicht auffälliger. Er erlebt eine bittere Lektion, was ihn von der europäischen Spitze trennt. Und in diesem Stadion soll seine Zukunft liegen? Als AS Roma müsste man sich ernsthafte Gedanken darüber machen, ob er für das Besondere taugt.

Shaqiri, der Freigeist: Sein Auftritt ist an Selbstgefälligkeit kaum zu überbieten, daran ändern ein, zwei Szenen gegen Spielende nicht das Geringste. Petkovic tut gut daran, sich damit zu beschäftigen, die Mannschaft am Sonntag gegen die Türkei ohne ihn zu besetzen.

Seferovic, der Stürmer: Zur Pause wird er ausgewechselt. Und die Frage ist nur: Hat er davor überhaupt auf dem Platz gestanden?

Oder Rodriguez, ein anderer altgedienter Spieler: Wann sieht Petkovic ein, dass er als Aussenläufer nicht mehr taugt, dass ihm dafür jegliche Athletik abgeht?

Und dann gibt es Kevin Mbabu, dem Petkovic genau 58 Minuten zu lang Auslauf gibt. Freuler ist halt wieder einmal nicht der Freuler von Atalanta Bergamo, Embolo wieder der Embolo, der mit dem Ball nichts anzufangen weiss.

Nur etwas ist noch gut für diese Schweizer: dass das Spiel kurz vor 23 Uhr zu Ende ist.

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