Heute vor 100 JahrenEine ganze Gemeinde sträubt sich gegen ein Trottoir
Die Stimmbürger von Stäfa lehnten im Jahr 1921 den Bau eines Trottoirs ab – und provozierten damit einen Streit mit dem Kanton.
Der Winter hat in der letzten Woche ein kurzes Comeback am Zürichsee gefeiert. Winter im April? Beileibe keine Seltenheit. Schon vor 100 Jahren widmete der «Anzeiger des Bezirkes Horgen» mitten im April Väterchen Frost einen kurzen Artikel. Anders als letzte Woche ging es damals nicht so glimpflich aus. «In der kalten Nacht vom letzten Samstag auf den Sonntag haben die Obstbaumblüten vielerorts Schaden gelitten», heisst es. Das Thermometer habe gegen Morgen einige Grade unter null angegeben. «Der gefährliche Moment für die Blüten kam dann aber, als die Sonne am klaren Himmel aufging und die Winterlandschaft mit ihren warmen Strahlen traf. Wo nicht Nebel oder Schnee die Blüten schützte, sind Kirschen und Birnen zum grossen Teil erfroren.» Immerhin habe der Schnee die erwünschte Winterfeuchtigkeit in den Boden gebracht. «Er hat vor dem Regen und namentlich vor Gewitterregen den Vorteil, dass er die Erde ganz allmählich mit Wasser sättigt und dass dieses restlos vom Boden aufgesogen wird und nicht abläuft», klärte die Zeitung auf.
Sorgen ganz anderer Art hatte der Stäfner Gemeinderat. Sein Ansinnen, in einem Teilbereich der Seestrasse ein Trottoir in der Länge von 154 Metern zu erstellen, wurde an der Gemeindeversammlung abgewiesen. Der Gemeinderat erhielt stattdessen den Auftrag, «bei der kantonalen Baudirektion dahin zu wirken, dass die Strassenverbreiterung von der Brandschenke bis zum Restaurant Felsenkeller ohne Trottoir vorgenommen, dass die Wasserabflussverhältnisse geordnet, die Strasse gewalzt und die Oberflächenteerung ausgeführt werde». Das Ansinnen wurde vom Kanton allerdings abgewiesen. Mit den Walzarbeiten und der Oberflächenteerung solle zugewartet werden bis zur Strassenverbreiterung. Diese sei in Verbindung mit der Erstellung eines Trottoirs durchzuführen, damit diese Anlagen nicht vorzeitig zerstört würden. «Dieser Entscheid der Baudirektion ist nicht verständlich», kommentierte die rechtsufrige «Zürichsee-Zeitung». «Wenn man sieht, wie von Meilen bis Uerikon die Seestrasse gewalzt und geteert wird, ohne dass daran die Erstellung eines Trottoirs als Bedingung geknüpft wird, muss man sich fragen, wie die Baudirektion dazu kommt, für dieses Teilstück ein anderes Recht anzuwenden.» Für den Autor war bereits klar: «Wir nehmen nicht an, dass es bei diesem Entscheid der Baudirektion sein Bewenden haben wird.»
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