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Nachfolge in der Bundesanwaltschaft
Eine Frau soll Michael Laubers Laden aufräumen

Die neue Bundesanwältin? Gaëlle Van Hove, grüne Ex-Staatsanwältin und Richterin aus Genf (2013).
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Der Mann Valentin Roschacher ist gescheitert. Der Mann Erwin Beyeler ist gescheitert. Der Mann Michael Lauber ist gescheitert.

Drei Bundesanwälte in Folge mussten ihr Amt unfreiwillig und unrühmlich abgeben. Hinzu kommt eine Serie von juristischen Pleiten – jüngst etwa im Sommermärchen-Fall um die Fussball-WM in Deutschland. All das hat die Bundesanwaltschaft in eine Krise gestürzt, ihre Glaubwürdigkeit beschädigt, ihre Wirksamkeit bei der Verbrecherjagd beeinträchtigt.

Wer soll und kann die Scherben zusammenkehren?

«Eine Frau!», sagen mehrere Mitglieder der Gerichtskommission beider Räte. Das 17-köpfige Gremium ist zuständig für die Suche von Laubers Nachfolgerin oder Nachfolger. Die Kommission schreibt die Stelle aus, prüft die Bewerbungen – und stellt dem Parlament schliesslich Antrag.

Dabei wird jetzt auch die Geschlechterfrage ein Thema.

Carla Del Pontes Erbe

In der engeren Auswahl, so sagt GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy, «müssten die Frauen eigentlich in der Mehrheit sein». Bertschy gehört der Gerichtskommission an und ist zudem Co-Präsidentin des Frauen-Dachverbands Alliance F. Die Männer, sagt Bertschy, seien in den Spitzenpositionen beim Staat «generell übervertreten, wenn man die Qualifikationen bedenkt». Ganz besonders gilt das für die Bundesanwaltschaft. Total 15 Bundesanwälte hatte die Schweiz bisher, und darunter war nur eine Frau: die Tessinerin Carla Del Ponte (1994 bis 1998).

Dabei ist das Strafrecht heute eine veritable Frauendomäne. 2019 waren mehr als 62 Prozent aller Masterabsolventen in Rechtswissenschaften Frauen. Auch in den kantonalen Staatsanwaltschaften arbeiten teilweise mehr Verbrecherjägerinnen als -jäger. Es sei darum «völlig naheliegend, dass es auch für die Lauber-Nachfolge mindestens gleich viele Kandidatinnen wie Kandidaten geben sollte», sagt Bertschy.

Für die Bundesanwaltschaft das ideale Profil – mindestens auf dem Papier: Maria-Antonella Bino, FDP.

Auch FDP-Nationalrat Christian Lüscher spricht sich für eine Frau aus. «Schön wäre es, eine Frau aus der Romandie zu haben», sagte er in der «Schweiz am Wochenende».

Perfekt zu seiner Empfehlung zu passen scheint Maria-Antonella Bino, wie Lüscher eine Genfer Freisinnige. Die 54-jährige bringt – zumindest auf dem Papier – das ideale Profil mit. Zunächst war sie eidgenössische Untersuchungsrichterin und später stellvertretende Bundesanwältin. 2013 wechselte sie zu BNP Paribas und sammelte dort Erfahrung im Banking, was bei der Bundesanwaltschaft ebenfalls von Nutzen sein dürfte. Seit kurzem ist Bino nun Compliance-Chefin bei der Kryptobank Sygnum. Mit dem öffentlichen Dienst hat Bino nicht abgeschlossen: Erst im Juni liess sie sich als nebenamtliche Richterin ans Bundesstrafgericht wählen.

Bino ist in Juristenkreisen allerdings nicht unumstritten. So wird in Genf erzählt, bei BNP Paribas habe sie intern Probleme gehabt. Nicht öffentlich bekannt ist auch, warum Bino seinerzeit nach nur zwei Jahren als Laubers Stellvertreterin abtrat.

Erst zwei Welsche

In der Gerichtskommission kursiert noch der Name einer zweiten Genferin: Gaëlle Van Hove, ehemals leitende Staatsanwältin und jetzt Richterin am kantonalen Straf-Appellationsgericht. Die 50-Jährige profilierte sich in Genf unter anderem mit Fällen von Menschenhandel. Mehrere Beobachter der Genfer Justiz beschreiben Van Hove übereinstimmend als integer, respektiert und zäh. Van Hove gehört der Grünen Partei an. Trotzdem findet selbst ein grundbürgerlicher Genfer Jurist, sie könnte das Zeug für die Bundesanwaltschaft haben.

Eine welsche Bundesanwältin könnte nicht nur das Frauen-Defizit etwas ausgleichen, sondern auch die chronische Untervertretung der Westschweiz. Bisher stellte die Romandie nur zwei Bundesanwälte: Paul Migy in den 1850er-Jahren und René Dubois in den 1950er-Jahren.

Sie war die Erste: Carla Del Ponte, zuerst Bundesanwältin und dann Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof.

Doch natürlich kommen nicht nur Frauen aus dem Welschland infrage. Alliance-F-Co-Präsidentin Bertschy nennt mehrere Deutschschweizer Staatsanwältinnen, die sich einen Namen gemacht haben. Aus Bern etwa Gabriela Mutti und Franziska Müller. Aus dem Aargau Barbara Loppacher, die dem Vierfachmörder von Rupperswil den Prozess gemacht hat. Oder aus St. Gallen die leitende Staatsanwältin Sara Schödler.

«Bisher sehr männerlastig»

Bertschy und Lüscher sind nicht die einzigen Mitglieder der Gerichtskommission, die auf eine Frau drängen. «Es braucht in der Bundesanwaltschaft endlich eine Frau», sagt Sibel Arslan (Grüne). Auch Ursula Schneider Schüttel (SP) findet, dass die Bundesanwaltschaft «bisher sehr männerlastig» gewesen sei. Auch sie würde es daher begrüssen, wenn sich eine kompetente Frau bewerben würde.

Quasi von Amtes wegen Frauenförderin ist die Präsidentin der FDP-Frauen, Susanne Vincenz-Stauffacher. Für sie muss der oder die Neue in erster Linie das nötige Rüstzeug mitbringen. Er oder sie habe sehr viel Macht, sei mit komplexen Fällen von internationaler Kriminalität konfrontiert und stehe dauernd unter Beobachtung der Öffentlichkeit. «Es gibt nicht viele, die das wollen und können», sagt Vincenz. «Aber es würde mich natürlich freuen, wenn eine Frau das Anforderungsprofil am besten erfüllen würde.»

Klar ist: Die Zeit für die Suche ist knapp. Bereits Mitte Dezember sollte das Parlament den neuen Bundesanwalt wählen. Oder die neue Bundesanwältin.