Analyse zur Politik in ThalwilEine einzige Abstimmung zeigt alle Facetten des Machtkampfs
Die Abstimmung zum Gestaltungsplan für das Seeufer Bürger zeigt, in welchem Dilemma die Thalwiler Politik derzeit steckt. Eine Analyse.
Man weiss nicht so recht, ob sich die Thalwiler Bürgerinnen und Bürger wirklich freuen können. Freuen deshalb, weil sie an der Gemeindeversammlung zum umstrittenen Gestaltungsplan für das Seeufer Bürger in einem direktdemokratischen Prozess einen Entscheid fällen konnten, der nicht im Sinne des Gemeinderats ist. Oder ob bei ihnen auch ein bisschen Wehmut und Bedauern mitschwingt. Dies, weil aufgrund der vor zwei Wochen vom Stimmvolk relativ knapp genehmigten Gemeindeordnung solche Gestaltungspläne nicht länger vor die Gemeindeversammlung kommen – und die Gemeindeversammlung damit als Kontroll- und Mitwirkungsorgan geschwächt wird. Konkret wird in Thalwil künftig an der Urne über private Gestaltungspläne und Änderungen der Bau- und Zonenordnung sowie des kommunalen Richtplans bestimmt.
Mit dieser neuen Regelung dürfte es der Gemeinderat einfacher haben, umstrittene Geschäfte durchzubringen. Denn an Gemeindeversammlungen – die selten von mehr als fünf Prozent der Stimmberechtigten besucht werden – können Gegner viel einfacher mobilisieren und ihre Partikularinteressen durchsetzen.
Wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen können, zeigt sich exemplarisch an zwei aktuellen Beispielen. Einerseits am Geschäft Seeufer Bürger selber. Denn im letzten Sommer sagten noch 60 Prozent an der Urne Ja zum Kredit für die Umsetzung des am Mittwoch nun abgeschmetterten Gestaltungsplans.
Andererseits an der geplanten Erweiterung des Hafens Farbsteig. Der vom Gemeinderat vorgelegte Projektierungskredit scheiterte am Mittwoch an der Gemeindeversammlung, und zwar so deutlich, dass die Stimmen nicht mal ausgezählt wurden. Speziell bei diesem Geschäft: Vor einem halben Jahr wurde bereits einmal über die Erweiterung der Hafenanlage abgestimmt. Wegen einer Stimmrechtsbeschwerde der IG Pro Badi Bürger, die zum Zeitpunkt der Abstimmung noch hängig war und mittlerweile gutgeheissen wurde, durfte der Gemeinderat das Resultat aber nicht bekannt geben. Am Mittwochabend tat er dies nun, auch wenn das Ergebnis keine Gültigkeit hat. Und Fakt ist: An der Urne wäre der Projektkredit gutgeheissen worden, mit 2403 Ja- zu 1443 Nein-Stimmen.
«Der Fall Seeufer Bürger könnte die Diskussion rund um die neue Gemeindeordnung nochmals befeuern.»
Diese Diskrepanz ist nicht neu. Und war schon Thema, als Thalwil vor genau einem Jahr zum wiederholten Male über ein Parlament abstimmen liess. Damals argumentierte der Gemeinderat klar für die Gemeindeversammlung, sie ermögliche gelebte Demokratie. Die Idee, ein Parlament einzuführen, wurde schliesslich mit einer Dreiviertelmehrheit wuchtig verworfen. Auch im Vorfeld der Abstimmung über die Gemeindeordnung präsentierte sich Gemeindepräsident Märk Fankhauser wieder als Verfechter der Gemeindeversammlung: Die Meinungsvielfalt werde hier mit einer breiten Diskussion eingebunden. Dass mit der neuen Gemeindeordnung dem Bürger nun genau solche Kompetenzen weggenommen werden, stiess vielen sauer auf, was sich wohl auch im knappen Abstimmungsergebnis zeigt: Nur 54 Prozent der Stimmenden sagten Ja.
Die Gemeindeversammlung vom letzten Mittwoch könnte die Diskussion rund um die neue Gemeindeordnung nochmals befeuern. Bereits sind drei Initiativen eingegangen, welche Anpassungen der neuen Gemeindeordnung verlangen und die am 26. September zur Abstimmung gelangen. Gefordert wird etwa eine Verkleinerung des Gemeinderats oder die Einführung einer Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission. Dass Gestaltungspläne wieder vor die Gemeindeversammlung kommen, dazu gibt es bislang keinen Vorstoss. Doch es ist gut möglich, dass Politiker oder andere politisch Motivierte nach der Versammlung vom Mittwoch mit diesem Gedanken spielen.
Allerdings zeigen die aktuellen Beispiele: Die Thalwiler Initianten dürften bedauern, dass ihre Vorstösse an die Urne kommen. Denn dort sind die Erfolgschancen wohl deutlich geringer als an einer Gemeindeversammlung.
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