Nationalgoalie Gaëlle ThalmannEine der Lautesten beim Essen, wortlos im Lift
Gaëlle Thalmann war gegen Norwegen die Heldin, die keine sein wollte. Weil sie nicht gern über sich spricht, tun es Weggefährtinnen. Sie zeigen einen Menschen voller Gegensätze.
Ihre Miene: ernst. Der Blick: starr. Die Stimme: monoton. Freude ist bei Gaëlle Thalmann kaum auszumachen, als sie mit dem Pokal des «Player of the Match» auf der leicht erhöhten Bühne im Innern des Waikato Stadium von Hamilton vor den Medien Platz nimmt. Minuten zuvor erkämpfte sich die Schweiz gegen Norwegen ein 0:0, ihre Teamkolleginnen schwärmten danach. «Wow!», «Katze», «unglaublich gut», «wie eine Mauer», «uns mehrfach den Arsch gerettet». Solche Dinge sagten sie. Und Thalmann? Redete ein bisschen, sagte aber eigentlich nichts. Das passt zu ihr.
37 ist die Torhüterin mittlerweile, mit den Medien scheint sie immer noch nicht so gern zu sprechen. Über sich selbst sowieso nicht. Ob die Partie gegen Norwegen eines ihrer besten Länderspiele gewesen sei, lautet die erste der sechs Fragen, die ihr am Freitag von den deutschsprachigen Journalisten gestellt werden dürfen. Ihre Antwort: «Es war sicher ein gutes Spiel von uns allen. Da konnte ich auch mithelfen, einen Punkt zu holen.»
Näher kommt man Thalmann eigentlich nur, wenn man mit aktuellen und ehemaligen Teamkolleginnen über sie spricht.
Caroline Abbé, Teammanagerin und frühere Zimmerpartnerin
«Sie ist, wie sie ist», sagt Caroline Abbé und schiebt nach: «Goalies sind immer speziell.» Heute ist Abbé Teammanagerin, viele Jahre waren die beiden aber Teamkolleginnen und Zimmerpartnerinnen im Nationalteam. Die beiden verbindet eine gute Freundschaft.
Klar, all die Jahre schweissen zusammen. Und noch viel mehr, weil sie lange zu den wenigen Romandes des Teams gehörten. Ausserdem ergänzten sich die beiden: «Ich war das pure Chaos, sie ist sehr ordentlich. Ich war die Spätaufsteherin, sie die Frühaufsteherin.»
Es gab Zeiten, da hatte Thalmann nicht den besten Ruf. Zu impulsiv, zu verbissen, zu fordernd. «Sie ist reifer geworden», findet Abbé, betont aber, dass die Freiburgerin schon immer das Herz am rechten Fleck gehabt habe. Eine, die sportlich immer schon höchste Ambitionen hatte, deshalb von allen verschiedenen Goalietrainern ihrer 15 Stationen so viel wie nur möglich lernen wollte. Und eine, die mit dem Alter nur noch besser wurde: «In den letzten zwei Jahren hat sie sich enorm positiv entwickelt.»
Noëlle Maritz, Teamkollegin
Sie gehört zu den Spielerinnen, die Thalmann öfter mal zu hören bekommen. Vor allem während der Spiele. «Gaga fordert sehr viel von uns. Vor allem von der Viererkette», sagt die Abwehrspielerin. Maritz mag das: «Sie gibt uns Feuer von hinten. Das tut uns gut.»
Nicht nur da dringt Thalmanns Ehrgeiz durch, auch in einer vermeintlichen lockeren Runde geht es bei ihr um alles. «Nur schon, wenn wir ‹Brändi Dog› spielen, da will sie unbedingt gewinnen», sagt Maritz und lacht. Doch die Torhüterin habe auch eine andere Seite, Maritz schätzt, dass sie auch mal für einen Spass gut ist. Überhaupt, dieser Ehrgeiz war es, der Thalmann erst so weit gebracht hat. Den braucht es, um rund sieben Monate nach einem Kreuzbandriss an der WM 2015 in Kanada teilnehmen zu können.
Nach der WM wird Thalmann ihre Karriere beenden, dann arbeitet sie als Chefin der Frauenabteilung des FC Lugano und als Torhütertrainerin beim Team Ticino. Bis dahin aber sagt Maritz: «Wir sind sehr froh, dass wir sie im Tor haben.»
Inka Grings, Nationaltrainerin
Als eine ihrer ersten Handlungen als Nationaltrainerin rief Grings gleich mal den Konkurrenzkampf ums Schweizer Tor aus. Fast ein Jahrzehnt lang war Thalmann die Nummer 1, nun musste sie sich neu beweisen. «Sie hat das nicht persönlich genommen, sondern sofort verstanden, worum es geht», sagt Grings. In dieser Zeit habe Thalmann lernen müssen, auch etwas mehr auf ihre Teamkolleginnen einzugehen. «Dass sie das Team auch als Mensch braucht, etwas Nähe hilft der Mannschaft», so formuliert es die Deutsche – und ist beeindruckt, wie gut ihre Torhüterin die Balance aus Kompromissbereitschaft und Authentizität hinkriegt.
Ohnehin scheint Thalmann ein Mensch voller Gegensätze zu sein: «Ein ruhiger Typ, zieht sich gern zurück, beim Essen kann sie aber auch eine der Lautesten sein. Fokussiert, aber für jeden Spass zu haben. Ein extrem guter Ruhepol, aber auch ein Vulkan.»
Es gibt aber etwas, das Grings besonders an ihr schätzt: «Mit ihr kann man auch mal im Aufzug fahren, ohne ein Wort zu sprechen. Das finde ich sehr angenehm. Ein Blick, ein Lächeln, das reicht. Sie ist einfach ein rundum toller Charakter.»
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