Kommentar zu Korruption in SüdafrikaEine Bande von Verbrechern
Jahrelang wurde der Kampf gegen Korruption versprochen, aber es geschah nichts. Nun wird einer der Topleute der Regierungspartei vor Gericht gestellt.
Eigentlich sollten die vielen Millionen Euro dazu verwendet werden, den Menschen das zu geben, was ihnen seit dem Ende der Apartheid versprochen wurde: ein bisschen Würde, ein Dach über dem Kopf. Tausende Häuser wollte die südafrikanische Regierung in einer der ärmsten Gegenden Südafrikas vom Asbest befreien, sie wollte den Menschen Hoffnung geben, Luft zum Atmen. Die Dächer sind auch noch nach vielen Jahren verseucht, die Millionen Euro kamen nie bei den Ärmsten an, sondern flossen auf die Konten der Ganoven aus dem Umfeld der Regierungspartei ANC, die sich davon Rolls-Royce kauften, Bentleys und Porsches.
In Südafrika ist der Fall seit Jahren bekannt, gut dokumentiert von Medien, Zivilgesellschaft und Justiz, er wurde zu einem von vielen Symbolen, die zeigen, was aus Teilen des ANC geworden ist: eine Bande von Verbrechern, die nie zur Verantwortung gezogen wurden. Sie konnten sich sicher fühlen, obwohl Präsident Cyril Ramaphosa bereits vor drei Jahren der Korruption den Kampf erklärte. Zu ermattet war der Staat, ausgehöhlt die Justiz.
Am Dienstag nun ist das Unerhörte passiert: Zum ersten Mal in der neueren Geschichte des Landes wurde ein Haftbefehl ausgestellt gegen einen der prominentesten ANC-Politiker, gegen Generalsekretär Ace Magashule, der sich schon diese Woche vor Gericht verantworten muss. Es ist eine Wegmarke für die Partei und das Land – und ein Sieg für Präsident Ramaphosa. Er war vor fast drei Jahren mit Euphorie im Amt begrüsst worden, die schnell nachliess, als klar wurde, dass viele im ANC einfach so weitermachen würden, sich in der Pandemie sogar Millionen unter den Nagel rissen, die eigentlich für Schutzmasken gedacht waren.
Der Fall ist die Chance, eine Kultur der Straflosigkeit zu beenden.
Ramaphosa sagte stets, der Wandel könne nur gelingen, wenn die Institutionen gestärkt werden, wenn nicht der ANC bestimme, was richtig ist und was falsch, sondern die Gerichte. Der Anfang ist nun gemacht. Der Fall Magashule ist die Chance, eine Kultur der Straflosigkeit zu beenden, die letztlich auch eine Folge des Endes der Apartheid ist. Die wurde damals am Verhandlungstisch besiegt, mit grossen Konzessionen an die weisse Minderheit, deren Verbrechen und Korruption weitgehend ungesühnt blieben.
Opfer sind Millionen Schwarze
«Warum sollen wir ins Gefängnis gehen, wenn die Rassisten straffrei blieben?» So lautet seitdem ein beliebtes Argument von Magashule und seinen Leuten, die sich zynischerweise der Fraktionen der «radikalen ökonomischen Umverteilung» innerhalb des ANC zugehörig fühlen. Umverteilt wird aber nur auf ihre Konten, Opfer sind wie zu Zeiten der Apartheid Millionen Schwarze. Sie fühlen sich seit Jahren vom ANC betrogen, machten bei den Wahlen aber immer wieder brav ihr Kreuzchen bei den Befreiern von damals, die oft längst zu Tyrannen geworden waren, zum Klischee einer korrupten Clique, die sich nur für Luxusautos interessiert.
Es gibt aber auch sehr viele ANC-Anhänger, die sich eine andere Partei wünschen, die aber zu oft schwiegen, aus falsch verstandener Loyalität. Sie müssen nun lauter werden, müssen daran erinnern, wofür der ANC einst angetreten ist, wie der edle Kampf um Gerechtigkeit begann. Es ist ein langer Weg für das ganze Land – und auch für grosse Teile der weissen Oberschicht, für die der korrupte ANC eine willkommene Entschuldigung war, die über Jahrhunderte angehäuften Reichtümer und Privilegien nicht zu hinterfragen oder gar zu teilen.
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